Christoph Frischmann war ein tüchtiger Botenmeister, Nachrichtenbeschaffer und erfand die Zeitung für die Stadt
Friedrich Kleinhempel
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Zeitungs-, radio- und fernsehlose Vergangenheit - in der Residenzstadt Berlin-Cölln erwartete man stets gespannt Berichte eintreffender kurfürstlicher Hof-Postboten, zunftmäßig organisierter »Ordinari Boten«, Reisender und Händler aus nah und fern.
Empfänger von Postsendungen wurden nur per Aushang an der einzigen Poststelle der Stadt benachrichtigt: Poststraße 1. Nur hier konnte man Postsendungen aufgeben. Briefkästen und Zusteller gab es noch nicht. Die Posthaus-Torflügel galten als »Schwarzes Brett« von Berlin.
Neben den Bekanntmachungen von Posteingängen und von Tag und Stunde abgehender und ankommender Reit- und Fahr-Posten hingen vielerlei private Annoncen, Händleranzeigen, Herbergsangebote usw. Täglich fanden sich Neugierige hier ein.
Bei der Einfahrt einer Postkutsche in die Stadt begann der »Postillon« in sein Horn »fleißig und wohl zu blasen«. Turbulenter Betrieb herrschte dann am Ausspann: Man wollte die Neuigkeiten aus dem In- und Ausland erfahren, sehen, wen das Gefährt nach oftmals beschwerlicher Reise gebracht hatte. Angekommene wurden begrüßt, Reisegepäck und Postsendungen abgeladen, die Pferde ausgeschirrt, getränkt und in die Ställe geführt.
Im Zentrum der Kommunikation nicht nur des kurfürstlichen Hofes mit weit verstreuten Landesteilen und dem Ausland stand der Botenmeister. Er zählte zum Kreis derer, die schreiben und lesen konnten, korrespondenzgewandt und »höflich« im Wortsinn sein mussten - sowie absolut verlässlich, eine hochrangige Vertrauensstellung!
Christoph Frischmann (1575 bis 1618) muss ein außerordentlich tüchtiger Boten- und Hofpostmeister gewesen sein. Er war beteiligt an der Ausarbeitung der Botenordnungen seiner Dienstzeit (1600-1618), richtete neue Botenlinien ein, veranlasste Wege- und Brückenbau, die Anfertigung von Land- und Wegekarten, die Einrichtung von Boten- und Postlagerstationen, er optimierte die Tourenplanung und erhöhte die Kommunikationssicherheit durch Geleitverträge und Beförderungsnachweise.
Sein neuer Botenfernkurs mit Relaisstationen bis Königsberg funktionierte schnell und zuverlässig. Nach Leipzig und Hamburg schickte Frischmann 1618 zusätzliche Boten, zunächst auf eigene Rechnung - Gefälligkeit für drängende Geschäftsfreunde. Er ließ Pferde anmieten und Boten reiten, um das Nachrichtentempo zu erhöhen.
Christoph Frischmann gab bei ihm einlaufende Neuigkeiten über politische und kriegerische Ereignisse, Interessantes und Sensationelles aufgeschrieben an Interessenten weiter. Das waren der Hof, die Geistlichkeit, Kaufleute und Landesschule. Auftragsgemäß systematisierte er die Informationsbeschaffung aus wichtigen Orten des Heiligen Römischen Reichs mit Hilfe von Briefboten und bezahlten Korrespondenten. Regelmäßig kamen Meldungen aus Rom, Wien, Prag, Paris, Amsterdam.
Ausgewählte Meldungen hängte er als öffentliche »Avisen« ans Posthaustor: die handgeschriebenen Wochenblätter vom ersten Zeitungsredakteur und -herausgeber Berlins!
1617 vollzog Frischmann den historischen Schritt zur ersten gedruckten Berliner Wochenzeitung, mit acht Seiten im Oktavformat, von Beginn an gedruckt in prima typographischer Qualität in Georg Runges kurfürstlicher Druckerei im Grauen Kloster, noch ohne Titel. Man las das Blatt und gab es weiter.
Die Ausgabe Nr. 36 dieser »Frischmannzeitung« mit Nachrichten vom 16. August bis 5. September 1617 ist die älteste erhaltene Ausgabe.
Die zahlreichen auswärtigen Nachrichten rechtfertigten ab 1619 den Titel »Zeitung Auß Deutschland, Welschland, aus Franckreich, Böhmen, Hungarn, Niederlandt und andern Orten wöchentlich zusammengetragen«, praktischer ab 1658: »Berlin: Einkommende Ordinari Postzeitungen« (1751 die »Vossische»).
Veith Frischmann (gestorben 1662), nach dem Tod seines Bruders Christoph 1618 in dessen Amt, erlebte früh obrigkeitliche Überwachung und Zensur, so 1628 während des (Dreißigjährigen) Krieges. Vom (katholischen) Wiener Hof kam Beschwerde über Wallenstein-feindliche Berichterstattung, was den pro-evangelischen Kurfürsten schließlich zum Verbot der Zeitung veranlasste.
Mit der Wiederzulassung im Januar 1632 wurde verfügt, jede Ausgabe vor Erscheinen dem kurfürstlichen Geheimen Rat vorzulegen, sowie was »zum Druck nicht zu geben ... befunden wird, dasselbige soll allwege herausgelassen werden.«
Die erste deutsche Wochenzeitung gab es im Jahre 1605 in Straßburg, die erste in Frankreich 1621, in England dann im Jahr 1622.
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