Spezialisierung in Asylprozessen

Bundesratsinitiative zur Konzentration einzelner Gerichte auf bestimmte Herkunftsländer

Es gehe nicht um Massenabfertigung, versichert der Justizminister. Die Richter sollen entlast werden, um in Asylverfahren sorgfältige Urteile zu fällen.

Mahmoud, Alieh und ihrem Sohn Djavad drohte die Abschiebung aus Brandenburg/Havel nach Bulgarien. Doch das Verwaltungsgerichts Potsdam verdonnerte im Januar 2013 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ein Asylverfahren für die Familie aus Afghanistan einzuleiten. Richter Rennert wusste Bescheid über die Lage in Afghanistan, und er hatte sich über die Verhältnisse in Bulgarien informiert. Der Balkanstaat steckte Flüchtlinge in Gefängnisse, weil er angeblich nicht wusste, wohin sonst mit ihnen.

Bei Asylverfahren müssen sich die Richter stets in die politische und kulturelle Situation der Herkunftsländer einarbeiten. Um sie angesichts der Fülle der Asylverfahren zu entlasten, startet Brandenburg eine Bundesratsinitiative. Das hat das rot-rote Kabinett am Dienstag beschlossen. Demnach sollen sich einzelne Verwaltungsgerichte auf bestimmte Staaten spezialisieren, so dass die Richter dann immer schon im Bilde sind. »Bei unserem Vorstoß geht es nicht um eine Massenabfertigung«, versichert Justizminister Helmuth Markov (LINKE). »Im Gegenteil: Mit der Spezialisierung ermöglichen wir den Richtern, sorgfältige und fundierte Urteile zu treffen.«

Linksfraktionschef Ralf Christoffers nannte es am Dienstag unabdingbar, die »Fluchtursachen zu bekämpfen«. Das werde allerdings »Jahre und Jahrzehnte« dauern. »Niemand sollte davon ausgehen, dass 2016 anders ist und 2017 das Problem gelöst ist.« Die arabischen Staaten tun nach Einschätzung von Christoffers zu wenig für die syrischen Flüchtlinge, und der Westen habe »ohne politisches Konzept in Bürgerkriege eingegriffen«. Seine Aufforderung, die Fluchtursachen zu beseitigen, wollte Christoffers ausdrücklich nicht so verstanden wissen, dass er eine deutsche Beteiligung an Militäroperationen befürworte.

Fraktionskollegin Andrea Jolige freute sich über die Signale, »dass Flüchtlinge hier willkommen sind«. Sie trat für die Bildung eines Koordinierungsstabes ein, der auch die Angebote der ehrenamtlichen Helfer erfassen sollte. Jolige wehrte sich gegen Formulierungen wie die, Deutschland werde eine syrische Provinz. Sie verwies darauf, dass rund 40 Prozent der Flüchtlinge einen Hochschulabschluss haben und Deutschland eine Zuwanderung von jährlich einer Million Menschen benötige, um seinen Bevölkerungszahl zu halten.

SPD-Fraktionschef Klaus Ness sprach davon, dass sich Brandenburg darauf vorbereiten werde, im laufenden Jahr 30 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Am Montag seien in Eisenhüttenstadt 500 Menschen angekommen. »Weitere werden folgen.« Zu den vieldiskutierten Asylbewerbern aus Westbalkanstaaten meinte Ness: »Das ist nicht mehr die große Gruppe.« In Brandenburg gehe man längst pragmatisch mit der neuen Situation um. Dort gebe es Fachkräftemangel in der Gastronomie und in der Pflege. Aber man dürfe sich nichts vormachen: »Nicht alle, die zu uns kommen, bringen die erforderliche Qualifikation mit.« Auch sei auf Ängste der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. »Man will helfen, man will aber auch das Gefühl haben, dass die politische Stabilität unserer Gesellschaft nicht in Frage gestellt wird«, erklärte Ness. Es sei darauf zu achten, dass sich Menschen mit niedrigen Einkommen nicht als die Verlierer sehen müssen. Ness regte an, den sozialen Wohnungsbau wiederzubeleben.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte voraus, die deutsche Gesellschaft werde den Flüchtlingszustrom »auf Dauer nicht akzeptieren«. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben bezeichnete die Aufnahme der Syrer als »gelebte Menschlichkeit«. Er warf der rot-roten Landesregierung aber vor, sich auf Geldforderungen an den Bund zu beschränken. Linksfraktionschef Christoffers wiederum betonte, seine Partei schiebe nicht alle Verantwortung auf den Bund ab.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dankte der evangelischen Kirche, dass sie »so klar Position bezieht«. Bischof Markus Dröge verwies aus einen Flüchtlingshilfsfonds der Landeskirche. Die 500 000 Euro gehen an Kirchengemeinden und Initiativen. »Eine Verdopplung dieser Summe wird bereits diskutiert«, berichtete Dröge.

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