Burkina Faso will zurück in die Zukunft

Putschisten müssen einlenken und stimmen der Wiedereinsetzung des Übergangspräsidenten Michel Kafando zu

  • Bernard Schmid, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Knapp eine Woche nach dem Staatsstreich im westafrikanischen Burkina Faso haben sich die Putschisten der Präsidialgarde RSP und die Armee auf eine Beilegung der Krise verständigt.

Ist nun wieder alles so geworden, wie es war? Der Schein dürfte trügen, auch wenn Burkina Fasos Übergangspräsident Michel Kafando am Mittwochmittag in seine staatlichen Funktionen zurückgefunden hat. Um zwölf Uhr Ortszeit begann in der Hauptstadt Ouagadougou die Zeremonie, mit der die Umsetzung des in Nigerias Hauptstadt Abuja abgeschlossenen Abkommens gefeiert wurde. Die Verhandlungen darum hatten am Vortag dort unter den Fittichen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS stattgefunden. In einer bewegend vorgetragenen Rede erklärte Kafando: »Meine lieben Landsleute! Im Unglück kämpften wir zusammen, in Freiheit triumphieren wir zusammen. Nunmehr habe ich meine Bewegungsfreiheit wieder erlangt und nehme den Dienst wieder auf.« Auch die Übergangsregierung, die Kafando seit Anfang November vorigen Jahres zusammen mit Interimspremier Isaac Zida anführte, sei wieder eingesetzt.

Die Staatsoberhäupter von sechs Ländern der Region waren für die Feierstunde angereist. Der senegalesische Präsident Macky Sall sowie der seit Frühjahr als Staatschef Nigerias amtierende General Buhari waren durch die ECOWAS als Chefunterhändler eingesetzt worden. Sie konnten im zweiten Anlauf erreichen, dass sich die Putschisten der Präsidialgarde RSP und die Armee auf eine Beilegung der Krise verständigten. Dafür unterzeichneten beide Seiten einen Fünf-Punkte-Plan.

Auch jetzt sind keineswegs alle Streitfragen geregelt. Den Ausschlag dafür, dass die aus dem Putsch hervorgegangene Militärjunta des »Nationalen Rats für Demokratie« (CND) nun wieder der - nach dem Sturz von Altpräsident Blaise Compaoré 2014 gebildeten - Übergangsregierung Platz machte, gab das Vorrücken von den Putsch ablehnenden Truppenteilen der Armee.

Diese rückten in der Nacht von Montag auf Dienstag auf die Hauptstadt Ouagadougou vor. Aus Bobo-Diolasso und Dédougou im Westen, aus Ouhigouya im Norden sowie aus Kaya und Fada N’Gourma im Osten des Staatsgebiets. Der nunmehr abgeschlossene Kompromiss sieht vor, dass diese Einheiten alle auf fünfzig Kilometer hinter den Stadtgrenzen zurückrücken müssen. Umgekehrt behält die Präsidentengarde in Gestalt des »Regiments für präsidiale Sicherheit« (RSP), das den Putsch durch- und anführte, ihre Waffen und ihre Kasernen. Und ihren Mitgliedern wird »Sicherheit für sich und ihre Familien« zugesichert.

Das RSP bildet eine mit Panzern und schweren Waffen ausgestattete 1300 Mann starke Elitetruppe. Es war unter Altpräsident Compaoré als dessen Prätorianergarde aufgebaut und mit materiellen Privilegien verhätschelt worden. Die übrige Armee war lange Zeit demgegenüber nur schlecht bewaffnet. Im zurückliegenden Jahr waren jedoch insbesondere Fallschirmjägertruppen durch US-amerikanische Ausbilder trainiert und ausgerüstet worden. Allem Anschein nach sollten sie ein Gegengewicht zum RSP und den Kräften des alten Regimes, deren Interessen wiederum eng mit der Ex-Kolonialmacht Frankreich verknüpft sind, bilden können.

Die Rivalität auswärtiger Mächte, wie Frankreichs und der USA, spielt in Afrika auch bei den aktuellen Vorgängen eine Rolle. Allerdings können die Akteure dabei keineswegs nur als Schachfiguren der Großmächte betrachtet werden. Die Bevölkerung selbst mischte sich massiv ein und ging gegen die Putschisten vor. Besonders in der zweitgrößten Staat des Landes, Bobo-Dialosso, herrschte eine echte Massemobilisierung auf den Straßen vor.

Den zentralen Streitgegenstand bei den Auseinandersetzungen bildet die Vorbereitung der, nunmehr wohl auf November verschobenen, allgemeinen Wahlen. Die Urnengänge als solche lassen breite Teile der Bevölkerung zwar relativ kalt: Viele Menschen versprechen sich von ihnen wenig Änderungen an ihrer alltäglichen Lebenssituation. Was jedoch zahlreiche Menschen im Land bewegt, ist, dass sie eine Amnestierung oder gar offene Wiedereinsetzung der alten oligarchischen Eliten, die sich unter Compaoré schamlos bereicherten, scharf ablehnen. Deren Wiederkehr auf die politische Bühne sollte das im April angenommene, im Juli höchstrichterlich genehmigte Wahlgesetz einen Riegel vorschieben.

Der wahre Beweggrund hinter dem Putsch war, die Maßnahmen rückgängig zu machen, mit denen eine Rückkehr zum alten Regime tunlichst verhindert werden sollte.

Diese heikle Frage ist noch nicht geregelt: Wie die Wahl ablaufen und wer zu ihr antreten darf, blieb bislang offen. »Die entscheidenden Fragen sind noch nicht abgehandelt worden«, kommentierte am Mittwochmittag ein Funktionär der LehrerInnengewerkschaft im Dachverband CGT-B. Gegenüber »nd« insistiert der Gewerkschafter darauf, dass die Massen weiterhin mobilisiert bleiben müssten. Die alten Kräfte des Regimes haben eingelenkt, aber noch längst nicht klein beigegeben.

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