• Spektakuläre Funde

Ur-Leier

  • Ronald Sprafke
  • Lesedauer: 2 Min.
September 1927: Leonard Woolley gräbt seit fünf Jahren in Südmesopotamien die Stadt Ur aus, Hauptort des gleichnamigen Stadtstaates im 3. Jahrausend v. Chr. Er hat bereits die Zikkurat freigelegt, einen stufenförmigen Tempelturm. Nun steht er vor seinem spannendsten Fund. In den folgenden Jahren findet er 1850 Gräber, 16 ragen durch ihre Größe und Bauweise heraus: die Königsgräber von Ur mit kostbarsten Beigaben von hoher handwerklicher Qualität, Schmuck, Gefäße, Waffen, Geräte aus Gold und Silber, verziert mit Halbedelsteinen und Lapislazuli. Die Herrscher waren mit ihrem Hofstaat beigesetzt worden - Hofdamen, Diener, Soldaten. Ein Grab erregt die besondere Aufmerksamkeit der Archäologen. In dem abwärts führenden Gang liegen auf Matten nebeneinander fünf bewaffnete Krieger. In der Mitte des anschließenden Hauptraumes findet man die Reste eines Schlittens, davor die Skelette eines Ochsengespanns und von fünf Gespannführern. In der Grabkammer ruht auf einer Holzbahre eine Frau, bedeckt mit einem goldenen Kopfschmuck. Ein Rollsiegel verrät ihren Namen: Pu'abi, eine Königin, die um 2500 v. Chr. lebte. Woolley stößt auch auf zwei parallel angeordnete Reihen von je sechs Frauenskeletten. An deren Ende liegt eine weitere Tote mit einer Leier im Arm. Der Holzrahmen des Instrumentes ist zerfallen, erhalten sind die Metallbeschläge und Intarsien. Die Leier kann ergänzt, nachgebaut werden. An anderer Stelle findet Woolley weitere Instrumente der Art. Das eindrucksvollste Exemplar war im Irakischen Nationalmuseum augestellt. Der hölzerne Resonanzkasten in Form eines Stierkörpers war von einem prächtigen Stierkopf aus Goldblech mit Augen aus Lapislazuli bekrönt, dazu Einlegearbeiten aus Karneol, Lapislazuli und weißen Muschelschalen. April 2003: Das ungeschützte Bagdader Museum wird verwüstet. Plünderer zerschlagen die Leier, reißen Edelmetalle und Intarsien vom Holzrahmen ab. Die Reste liegen zertreten am Boden .... September 2006: Auf einem internationalen Symposium, veranstaltet vom Deutschen Archäologischen Institut und dem Ethnologischen Museum Dahlem, wird der originalgetreue Nachbau der Leier gezeigt. Nach über 4500 Jahren erklingt das Instrument wieder. Ein Stück wertvolles Weltkulturerbe ist der Menschheit zurückgegeben.

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