Kommunalkassen am Tropf

Land will verhindern, dass Geld aus dem Ausgleichsfonds für Investitionen verwendet wird

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz stabil guter Steuereinnahmen wachsen die Spannungen zwischen dem Land und den Kommunen. Es geht - wie könnte es anders sein - ums Geld.

Die rot-rot geführte Landesregierung hatte immer unterstrichen, nirgends gehe es den Kommunen besser als in Brandenburg. Ihr Anteil am Landeshaushalt sei deutlich erhöht worden. Doch gibt es offenbar auch gegenläufige Tendenzen.

In einer parlamentarische Anfrage wollte der Landtagsabgeordneter René Wilke (LINKE) jetzt wissen, ob es tatsächlich zutrifft, dass hoch verschuldete Kommunen ihre Hilfsmittel nicht mehr für Investitionen einsetzen dürfen. Er verweist auf das Ziel des Innenministeriums, den Hilfeempfängern nicht länger zu gestatten, Mittel aus dem Ausgleichfonds diesbezüglich zu verwenden. Wilke zufolge betragen diese sogenannten FAG-Mittel 2015 rund 45 Millionen Euro und ab dem Jahr 2016 dann jeweils 40 Millionen Euro pro Jahr.

Vor Jahren schon hat das Land den Ausgleichfonds eingerichtet, um überschuldeten Kommunen eine Atempause zu gewähren und ihnen zu ermöglichen, Grundleistungen zu erbringen. Gleichzeitig fand das Land ein Verfahren des inneren Finanzausgleichs, wonach reiche Kommunen den ärmeren einen Teil ihrer Mittel abgeben müssen. Fast 40 Millionen Euro sollen demnach 2016 aus den Kassen der neun »reichen« Kommunen in die der »armen« umverteilt werden.

Derzeit ist die Gemeinde Schönefeld (Dahme-Spreewald) mit dem Flughafen Berlin-Schönefeld und dem im Bau befindlichen neuen Hauptstadtflughafen BER Hauptzahler. Doch auch andere begünstigte Gemeinden, denen es gelungen ist, ertrag- und umsatzstarke Unternehmen anzusiedeln, müssen abgeben. Zahlende Gemeinden sind auch Neuhardenberg und Heckelberg-Brunow (beide Märkisch-Oderland), Zossen und Baruth (beide Teltow-Fläming), Liebenwalde (Oberhavel), Linthe und Schenkenberg (beide Potsdam-Mittelmark) sowie Teichland (Spree-Neiße). Doch nicht alle wollen auch tatsächlich teilen.

Gegen die Stadt Liebenwalde hat das Land jetzt die Zwangsvollstreckung eingeleitet, um sage und schreibe 27,5 Millionen Euro zu bekommen, die Liebenwalde dem Ausgleichfonds schuldet. Ein großer Discounter hat diese Stadt reich gemacht, aber abgeben will sie deshalb noch lange nicht. Jahrelang wurden die Zahlungen verweigert. Als der Kreis mit der Vollstreckung beauftragt worden war, erklärte der sich für befangen. Pikanterweise ist Oberhavel jener Kreis, in dem der heutige, für die Kommunen zuständige Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) über viele Jahre Landrat war.

Die Frage der Kommunalfinanzierung erschwert auch die von der Landesregierung vorangetriebene Kreisreform. Oder sie wird dadurch umso gebieterischer auf die Tagesordnung gesetzt - wie man will. Erhebliche Rücklagen sind im Landeshaushalt für die Entschuldung oder Teilentschuldung von Kommunen im Zuge dieser Reform vorgesehen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass beispielsweise ein Landkreis im Falle eines Zusammenschlusses mit einer kreisfreien Stadt deren Schulden mit übernehmen müsste.

Als vor einigen Jahren die Debatte um die Neugliederung der Landkreise Brandenburgs begann, addierten sich etwa im Falle von Cottbus zum Schuldenstand in Höhe von 43 Millionen Euro noch einmal Kassenkredite von mehr als 205 Millionen Euro. Brandenburg/Havel meldet 35,5 Millionen Euro Schulden und immerhin 130 Millionen Euro Kassenkredite. Die Pro-Kopf-Verschuldung wird für Brandenburg/Havel mit 2740 Euro angegeben, für Cottbus 2439 und für Frankfurt (Oder) mit 2367 Euro. Insgesamt kommen so mehr als 600 Millionen Euro zusammen. Fachleute sind sich einig: Würden die geplanten neuen Umlandkreise mit den Städten auch deren Verbindlichkeiten übernehmen müssen, wären sie finanziell sofort paralysiert.

Zwar wäre genügend Geld vorhanden, denn die wirtschaftliche Lage spült jede Menge Geld in die Landeskassen. Aber gleichzeitig muss das Land die Mehrkosten für den Flughafenbau anteilig mitfinanzieren, was immerhin 400 Millionen Euro ausmacht. Und auch die Unterbringung von bald 40 000 Flüchtlingen und ihre Versorgung kostet Geld. Diese Kosten waren vor einem Jahr noch nicht abzusehen.

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