Wider die Vorschrift

Vor 100 Jahren wurde Roland Barthes geboren, einer der widersprüchlichsten und anregendsten Vertreter der französischen Theorie. Von Stefan Ripplinger

  • Stefan Ripplinger
  • Lesedauer: ca. 7.5 Min.

Wer sagt, dass der Theoretiker Roland Barthes kein System hat, untertreibt maßlos. Das Werk dieses Mannes scheint nur aus Brüchen und Widersprüchen zu bestehen. Denn wer kriegt den proletarischen Brechtianer mit dem semiologischen »Tui« zusammen, den Propagandisten des Unpersönlichen mit dem intimen Selbstbeobachter, den Mann, der die Sprache »faschistisch« nannte, mit demjenigen, der den Verfall des Französischen betrauert hat?

Barthes hat solche Widersprüche begrüßt. »Ein jeder sollte sich immer wieder gewissermaßen widerrufen, sich verleugnen, er sollte abschwören, weil nämlich sehr schnell das, was er gesagt hat, als er sich außerhalb der Macht positionieren wollte, wiederum von einer Macht vereinnahmt wird, sei es die Herrschaft des Staates oder sei es einfach die Macht der öffentlichen Rede und der Sprachordnung. Es gibt keinen anderen Ausweg als den, sich fortwährend in Frage zu stellen.«

Das ist seine Version der Nega...


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