Rodeln auf einstiger Deponie in Schwanebeck?

Die Nacharbeiten auf der 2005 stillgelegten Anlage der Berliner Stadtreinigung werden noch Jahre dauern

  • Philip Nixdorf
  • Lesedauer: 4 Min.
Weit über ein Jahr ist es nun schon her, dass die von der Berliner Stadtreinigung (BSR) betriebene Deponie Schwanebeck bei Bernau ihre Tore schloss. Seit dem 1. Juni 2005 dürfen in Deutschland nämlich nur noch vorbehandelte Abfälle abgelagert werden, und die auch nur auf Deponien mit einer Abdichtung zum Schutz des Grundwassers. Seither sind die orangefarbenen klobigen Müllfahrzeuge der BSR aus dem Straßenbild der B 2 verschwunden, die zu Hunderten Tag für Tag die Deponie ansteuerten. Die Bewohner der nahegelegenen Wohngebiete müssen nun nicht mehr den unangenehmen süßlichen Geruch des angelieferten Mülls ertragen. Die riesige Müllkippe - auf einer Fläche von etwa 60 Fußballfeldern lagern mehr als elf Millionen Kubikmeter Abfall - wächst aber dennoch weiter, und zwar in die Höhe. Bis Ende 2007 sollen rund 500 000 Kubikmeter Bauschutt und Erdreich - wohl gemerkt kein Müll mehr - auf dem Plateau der Deponie eingebaut werden. Die Deponie wird dadurch ein leichtes Gefälle erhalten, damit sich nirgendwo Wasser ansammelt. Mittels digitaler Luftbildvermessungen verschafft man sich regelmäßig ein genaues Bild vom Zustand der Deponie. So stellte man unlängst überrascht fest, dass nach dem Einbau von 75 000 Kubikmetern Boden und Bauschutt in der zweiten Jahreshälfte 2005 der Müllberg nicht etwa gewachsen war, sondern dass sich das Gesamtvolumen sogar verringert hatte. Wegen maschineller Verdichtung schrumpfte die Deponie in diesem Zeitraum. Sie wird aber trotzdem wachsen - bis 2007 noch um einige Meter bis auf etwa 65 Meter über die Höhe des umliegenden Geländes. Damit wird sie eine der höchsten Erhebungen im Berliner Umland sein. Die Deponie Schwanebeck wurde offiziell 1973 in Betrieb genommen. Allerdings begann man schon in den 60er Jahren damit, die einstige Kiesgrube mit Bauschutt und Hausmüll aufzufüllen. Mit der Fusion der Stadtreinigungsbetriebe in Ost- und Westberlin übernahm die heutige BSR das 63 Hektar große Gelände. Das Landesumweltamt Brandenburg blickt mit wachsamen Augen auf die stillgelegte Deponie. Bis ins kleinste Detail ist nämlich durch Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften festgelegt, wie die Stilllegungsarbeiten und die anschließende Nachsorge auszusehen haben. Finanziert werden die auf über 100 Millionen Euro veranschlagten Arbeiten durch Rückstellungen, die noch während der Betriebszeit der Deponie gebildet worden sind. Die regelmäßige Überwachung der Grundwasserqualität in der unmittelbaren Umgebung der Deponie ist nur eine von vielen wichtigen Aufgaben. Weitaus komplizierter ist die Entgasung. Zu diesem Zweck sind über das gesamte Deponiegelände 117 Gasbrunnen verteilt, die stündlich etwa 2500 Kubikmeter Deponiegas (vorwiegend das giftige und klimaschädliche Methan) erfassen, das aus den biologisch zersetzbaren Anteilen des Mülls entsteht. Das Gas wird mittels perforierter Leitungen durch Unterdruck aus der Deponie abgesaugt und über ein Rohrleitungssystem zum Deponiekraftwerk geführt. Mit dem Gas werden große Motoren bewegt, die wiederum Generatoren antreiben. Nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung wandeln diese die chemische Energie des Gases zu 40 Prozent in Strom und zu 60 Prozent in Wärme um. Während der Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird, geht die Wärme durch eine Rohrleitung ins nahe gelegene Vattenfall-Heizkraftwerk in Berlin-Buch. Mit einer elektrischen Leistung von insgesamt zirka fünf Megawatt und einer thermischen Leistung von zirka 6,5 Megawatt ist das Blockheizkraftwerk äußerst effizient und erhielt dafür bereits 2001 »Berliner Umweltpreis«. Wenn auch die Kapazität des Kraftwerks durch Rückbau den langsam abnehmenden Gasmengen angepasst werden muss, wird es schätzungsweise noch 15 bis 20 Jahre in Betrieb sein. 2008 soll mit der Oberflächenab-dichtung der Deponie begonnen werden. Über dem Abfall wird zunächst eine 50 Zentimeter mächtige Gasdränschicht aufgebracht, damit das Deponiegas, das sich unter der Dichtung staut, seitlich zu den Gasbrunnen abgeleitet werden kann. Darüber kommen eine 50 Zentimeter dicke Tonschicht und eine 2,5 Millimeter starke Kunststoffdichtungsbahn. Das Deponierecht lässt auch Alternativen zu. Auf den Dichtungen liegt eine 30 Zentimeter dicke Entwässerungsschicht, durch die das Niederschlagswasser abgeführt wird, das durch die darüber liegende, mindestens 100 Zentimeter mächtige bepflanzte Erde sickert. Bis alles fertig ist, vergehen voraussichtlich acht bis zehn Jahre. Wie es danach weitergeht, dafür gibt es Ideen, aber noch keine Pläne. Ein Freizeitpark mit Aussichtsturm - der Ausblick wäre gewiss fantastisch - oder ein Rodelberg wären denkbar.

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