Park erinnert an Einzelhaft und Folter

Betonklötze und schiefer Rasen zeichnen das ehemalige Zellengefängnis Moabit nach

  • Daniel Kläger
  • Lesedauer: 2 Min.
»Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt, ist unter Mauerwerk und Eisengittern ein Hauch lebendig, ein geheimes Zittern.« Dieses Zitat stammt aus einem der »Moabiter Sonette«, die Albrecht Haushofer während seiner Haft im Zellengefängnis Moabit bis zu seiner Ermordung im Jahr 1945 geschrieben hat. Es schmückt heute eine der sanierten, bald 160 Jahre alten Mauern des gegenüber vom Hauptbahnhof gelegenen »Geschichtsparks Ehemaliges Zellengefängnis Moabit«. Der drei Millionen-Euro-Park wurde gestern durch die scheidende Bezirksstadträtin Dorothea Dubrau und den Parkarchitekten Udo Dagenbach eröffnet. Im Gegensatz zu den vielen anderen Parks, die in den letzten Jahren fertiggestellt wurden, hat dieser »eine etwas andere Geschichte«, erklärte die Grünen-Stadträtin. Da sah sie die Herausforderung: »Einerseits sind hier Menschen gestorben, die für ihre Freiheit eintraten, andererseits sollte es eine Grünanlage werden.« Am Ende der etwa dreijährigen Bauphase steht ein lichter Park, der sowohl einen kleinen Kinderspielplatz beheimatet, als auch die neuere, fast sechzigjährige Geschichte als Lagerplatz aufgreift. Die größten Anstrengungen verwandt das Landschaftsarchitekturbüro »Glaßer und Dagenbach« jedoch darauf, die sternförmige Gefängnisanlage mit ihren einstigen Zellenflügeln und Spazierhöfen durch in Beton gefasste tektonische Abdrücke und Erhebungen in der Rasenfläche nachzuzeichnen. Einer der drei Spazierhöfe wird durch hohe Betonwände auf wenigen Quadratmetern räumlich vermittelt. »Aus einer solchen Hofgangsituation ist der Ausspruch "im Dreieck springen" entstanden«, erklärte Architekt Dagenbach. Der ehemalige Überwachungsbereich wird durch einen rahmenförmigen Betonwürfel symbolisiert, und eine Zelle wurde in ihrer ursprünglichen Größe nachgebildet; beim Betreten ertönen Moabiter Sonette: »Erwach ich dann im Dienstgeklirr der Schlüssel, vom Mittagsruf nach meiner Suppenschüssel, und raffe mich, zum Täglichen bereit ...« 1842 wurde das preußische Mustergefängnis nach einer Gefängnisreform errichtet. Statt Gemeinschaftszellen hieß es nun Einzelhaft und isolierter Hofgang. Diesen »Fortschritt« durfte auch der Schuster Wilhelm Voigt, besser bekannt als »Hauptmann von Köpenick«, von innen kennenlernen. Hundert Jahre später, im Jahr 1942, begannen die Nazis, das Gefängnis zur Inhaftierung ihrer politischen Gegner zu nutzen. Neben Albrecht Haushofer waren davon Persönlichkeiten wie der Verleger von Guttenberg, der französische Resistance-Führer Paul Bernard, der Schriftsteller Wolfgang Borchert, der Sänger Ernst Busch und die Widerstandskämpfer des 20. Juli betroffen. In dieser Zeit wurde das Moabiter Gefängnis zum Symbol für politische Unterdrückung, Folter und Mord. Nach der Befreiung Nazideutschlands nutzten die Alliierten das halb zerstörte Gefängnis bis 1955 weiter. 1958 wurde es fast vollständig abgerissen. Seither diente das Gelände als Lagerplatz des ehemaligen Tiefbauamtes Tiergarten - bis seine historische Bedeutung im Jahr 1990 erkannt wurde.
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