Nackte Tatsachen der Polizeimusik

Rechnungshof empfiehlt für das uniformierte Orchester einer Stellenreduzierung

Am Freitag wurde der jüngste Rechnungshofbericht vorgestellt. Er enthält mehrere Fälle von Verschwendung beim Polizeiorchester.

Im Landespolizeiorchester (LPO) spielte ein Musiker Piccoloflöte. Über sechs solche Flöten verfügte das Orchester schon, beschaffte aber zusätzlich drei weitere Piccoloflöten im Gesamtwert von 15 000 Euro. Außerdem schaffte das Orchester für 5998 Euro ein E-Drum-Set an, das nicht benutzt wird. Das sind nur zwei Bespiele für Verschwendung, die im Jahresbericht des Landesrechnungshofs (LRH) aufgeführt sind. LRH-Präsident Christoph Weiser stellte den Bericht am Freitagmorgen vor.

Am Sinn des Polizeiorchesters haben schon viele gezweifelt. Immer mal wieder wird gefordert, es abzuschaffen. Jetzt nahm der Rechnungshof die Truppe aufs Korn - ohne die künstlerischen Qualitäten zu beurteilen, wie Weiser betont. Die 44 Musiker tragen zwar Uniform, sind aber keine Polizisten, sondern Berufsmusiker. Sie umrahmen Veranstaltungen der Regierung, spielen für einen guten Zweck umsonst, nehmen ansonsten für ihre Auftritte eine Gage, die aber alles andere als kostendeckend ist.

10,3 Millionen Euro verausgabte das Land Brandenburg in den Jahren 2010 bis 2013 für die 44 Musiker, die auf seiner Gehaltsliste stehen. Das Land Berlin, das sein eigenes Polizeiorchester aufgegeben hat, schießt jährlich mehr als eine halbe Millionen Euro zu - für die drei Musiker, die im Januar 2004 in das brandenburgische Orchester wechselten, und für sieben weitere Berliner Musiker, die bei den Auftritten mitwirken.

Die Einnahmen des LPO beliefen sich zwischen 2010 und 2013 auf insgesamt 128 000 Euro. Die jährliche Eigenfinanzierungsquote schwankte zwischen 0,8 und 1,7 Prozent. »Das LPO hatte damit mit Abstand die höchste Fehlbedarfsquote aller Orchester, die das Land Brandenburg finanziell unterstützte«, vermerkt der Rechnungshofbericht. Die Prüfer zweifeln an, dass vom Orchester ein nennenswerter Beitrag zur Verbrechensverhütung geleistet wird. Denn wenn die Musiker in Schulen auftreten, sei kein Polizist dabei, der den Schülern beispielsweise etwas über Ordnungswidrigkeiten erzählen könnte. Stattdessen werde in einem Musikunterricht der besonderen Art dieses und jenes Instrument vorgestellt. Außerdem: Rein rechnerisch könne das LPO jede der 897 Schulen im Land nur alle 33 Jahre aufsuchen. Offensichtlich wenig Erfolg hatte das Musizieren bei einem Bike & Rockfestival im August 2014 in Limberg bei Cottbus. Mehrere Zuhörer haben der Bühne demonstrativ ihren nackten Hintern zugewandt.

Dass das Orchester im Flächenland Brandenburg als Kulturträger unterwegs sei, kann der Rechnungshof ebenfalls nicht erkennen. 2013 habe es 40 Auftritte in Potsdam und 27 in Berlin gegeben, jedoch nur je einen in Märkisch-Oderland und Oberspreewald-Lausitz und zwei in Teltow-Fläming. In Nordrhein-Westfalen und im Ausland gastiert das LPO öfter - und verschleudert dabei nach Ansicht des Rechnungshofs unnötig Geld. Die Teilnahme an einem Musikfest in Kreuzlingen in der Schweiz kostete 4414 Euro. Mit einem Lkw und einem Bus reiste das Orchester 775 Kilometer hin und die selbe Strecke zurück, war drei Tage unterwegs und nahm nur 1500 Euro ein. Genauso viel Gage brachte ein Kabarettabend in Coesfeld bei Münster ein. Hier verschlang die Anreise 2860 Euro.

Vergleichsweise lohnend gewesen wären vielleicht die Konzerte beim Brandenburger Dorf- und Erntefest 2012 in Luckaitztal-Muckwar und beim Rosenfest 2013 in Forst. Doch die Kommunen erwirkten via Innenminister, dass sie nichts bezahlen mussten. Damit nicht genug. Das LPO ging ins Tonstudio und nahm für schätzungsweise 130 000 Euro die neuen CDs »Winterträume« und »Blue Moon« auf. Je 2000 Exemplare wurden produziert, aber nur 155 beziehungsweise 59 Stück konnten zum Preis von 15 Euro abgesetzt werden. Insgesamt erzielte das LPO mit dem CD-Verkauf von 2010 bis September 2014 nur Einnahmen von 3210 Euro.

Trotzdem: Der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) glaubt an das Polizeiorchester und seine Funktion in der Präventionsarbeit und verspricht, dass es nicht gestrichen wird. So weit möchte Thomas Kersting vom Großen Kollegium des Rechnungshofs auch gar nicht gehen mit seinen Forderungen. Kersting hält aber 27 Stellen für ausreichend. So viele seien beim Polizeiorchester Baden-Württembergs übrig geblieben. Der dortige Rechnungshof hatte die Abschaffung des Orchesters empfohlen. Herausgekommen war eine Personalreduzierung.

Brandenburgs LRH kritisiert auch die neue Zielzahl von 45 120 Stellen im gesamten Landesdienst. Bis 2018 werden damit 2150 Stellen weniger abgebaut als sich die rot-rote Koalition ursprünglich vorgenommen hatte. Die Einnahmen aus Gebühren für Polizeieinsätze könnten nach Ansicht des Rechnungshofs um 70 Prozent gesteigert werden. Das würde Mehreinahmen von 920 000 Euro bedeuten. Allein für das Einfangen entlaufener Hunde, Pferde, Kühe und eines Lamas hätten zusammen mehr als 50 000 Euro kassiert werden können und für missbräuchliche Notrufe 36 000 Euro. Dass die Polizei für die Bergung von Segeljachten und das Einschreiten bei Ruhestörungen im Gegensatz zu anderen Bundesländern nichts verlangt, versteht der Rechnungshof nicht. Seite 13

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