Letzte Ölung für den Teufel?

Kurt Flasch verfasste eine Biografie des Satans und vermaß dabei den geistigen Kontinent Europa

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 4 Min.

Keine Zweifel plagten Arnold Schwarzenegger. »Ich glaube an Gott. Also glaube ich auch an den Teufel«, sagte der Hollywoodstar und spätere Gouverneur von Kalifornien in einem Interview 1999 anlässlich seines Millennium-Thrillers »End of Days«.

Ungeachtet solch verblüffend-dialektischer Logik arbeiten sich Theologen seit Jahrhunderten an der Frage ab, warum Gott das Böse zulässt. Die Antworten und Ergebnisse sind wahlweise von wahnwitziger Widersprüchlichkeit, ergreifender Schlichtheit oder kompliziertester Kasuistik. Derlei soll hier nicht in extenso ausgebreitet werden. Verwiesen sei aber auf den Joker, der sich beim Leerlauf im Labyrinth des numinosen Nonsens immer wieder als hilfreich, ja, unverzichtbar erwies: den Teufel.

Die weiß Gott nicht kurze Literaturliste über den Widersacher Gottes hat jetzt Kurt Flasch um »Die neue Biographie« bereichert, wie sein Buch »Der Teufel und seine Engel« im Untertitel verheißt. Der Philosophiehistoriker erreicht damit nach Arbeiten unter anderen über Augustinus, Eva und Adam, Meister Eckhart, Dante sowie Gott himself den Tiefpunkt seines literarischen Schaffens - zumindest, wenn man davon ausgeht, dass des Teufels Domizil ganz, ganz unten liegt, höllisch tief sozusagen.

Doch auch die Hölle »hat ihre erforschbare Geschichte«, die Flasch ebenso kundig und geistvoll ausbreitet wie die anderen Details und Facetten der faszinierenden »Vita« dieses Herrn, dessen Profession als Widerpart des HERRN immerhin eine nachgerade symbiotische Beziehung zu Letzterem voraussetzt.

Was immer wieder für theologische Probleme sorgte. Schließlich erwähnte der erste Petrusbrief, dass Jesus (mithin der HERR) zwischen Kreuzestod und Auferstehung »abgestiegen zu der Hölle« war. Gott in der Hölle - ein fantastisches Faszinosum, das katholische Dogmatiker mit wahrem Höllenfeuereifer füllte und die Regale mit Erbauungs- und Interpretationsschriften über Christi Reise in die allerunterste Etage.

Auch wenn Jesus während seines 40-tägigen Wüstenfastens den Teufel vertrieb - da ist er aber immer noch. Erst Anfang Dezember wurde in einem Hotel in Frankfurt am Main eine Südkoreanerin nach einer mutmaßlichen »Teufelsaustreibung« tot aufgefunden. Und im Vatikan regiert mit Franziskus ein Papst, der in diesem Punkt mit Arnold Schwarzenegger einer Meinung ist: »Ich glaube an die Existenz des Teufels«, erklärte der argentinische Pontifex überzeugt. Nun legt uns dieser Papst in der Tat »das naivste, fundamentalistischste, unkritischste, von jeglichem Zweifel unberührteste Gottes-, Jesus-, Marien-, Kirchen- und Teufelsbild vor, das man sich nur denken kann«, wie der Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek in seiner Franziskus-Biografie schreibt. Aber auch in dem von Papst Johannes Paul II. 1992 unter Federführung seines Glaubenspräfekten Joseph Ratzinger (später Papst Benedikt XVI.) veröffentlichten Katechismus heißt es unmissverständlich: »Satan ist auf der Welt aus Hass gegen Gott und gegen dessen in Jesus Christus grundgelegtes Reich tätig.«

Ein rechter Teufelskerl also, der sich über alle Zeiten, Reiche und Religionen bis ins 21. Jahrhundert nicht nur gehalten, sondern mit Bravour immer neue Namen, Gestalten, Ideologien verpasst hat respektive hat verpassen lassen. Kurt Flasch zeigt sich als exzellenter Führer bei der Erwanderung dieses kurvenreichen, aber dennoch stringenten Kurses, der sich kreuz (!) und quer durch das geistige und geistliche Terrain unseres Kontinents zieht. Denn, wie der Autor postuliert, »wer Europa kennen will, muss Gott und den Teufel erkunden«. Dass der Teufel »nicht aus Europa« stammt, ist dabei zweitrangig (auch der monotheistische Gott kommt ursprünglich aus dem Orient). »Aber jahrhundertelang lief er hier herum und suchte, wen er verschlingen könne; von diesem Kontinent aus nahm er den Weg in die Neue Welt.« So ist denn Flaschs luziferische Lebensbeschreibung zugleich eine europäische Ideengeschichte par excellence. Ob Sünde oder Sexualität, Tod oder Terror, Verführung oder Verblendung - ohne den Schwefelsüchtigen lief so gut wie nichts, das irgendwie das Böse berührte.

Legion sind auch die Namen großer Teufelssucher, -forscher, -interpreten, derer, die sich satanisch-intellektuell inspirieren ließen und ihre unübersehbaren Abdrücke (kein Pferdefuß) auf den weiten Feldern der Theologie, Philosophie, Literatur hinterließen: Byron und Bulgakow, Dante und Descartes, Goethe und Gratian, Leibniz und Luther, Shakespeare und Schleiermacher ... - wer in die Tiefen des Geistes und seiner Wunder und Wirren eindringen wollte, musste auch, virtuell, die Tiefen der Hölle in Angriff oder zumindest in Kauf nehmen.

Trifft Nietzsches Diktum, Gott sei tot, ebenso auf den Teufel zu? Für Europa bejaht Flasch diese Frage: »Vielleicht lebt er noch in Afrika oder in einem Slum Südamerikas.« Immerhin hat der aktuelle Papst den Leibhaftigen aus Südamerika wieder ins Zentrum der katholischen Christenheit nach Europa verfrachtet und wird ihm kaum die Letzte Ölung geben. Aber welche ideologischen Exzesse auch immer mit dem Teufel veranstaltet werden - darin ist Flasch nicht zu widersprechen: »Er taugt nicht zur Erklärung des Ursprungs des Bösen. Denn dann entsteht die Frage, wie das Böse in den ursprünglich guten Teufel gekommen ist.« Aber bestraft der Teufel nicht auch die Bösen? Und wenn er das tut, ist er dann nicht gut?

Kurt Flasch: Der Teufel und seine Engel. Die neue Biographie. Verlag C.H. Beck. 462 S., geb., 26,95 €.

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