Courageous Cinema! - Hofkino am Franz-Mehring-Platz
»Courageous Cinema!« – Mutiges Kino: Unter diesem Motto läuten wir die diesjährige Open-Air-Kinosaison ein. Von Juni bis Ende August sind wir zu Gast im Hofkino Berlin am Franz-Mehring-Platz und zeigen sechs zeitgenössische Filme, die sich mit Mut und Aufbruch beschäftigen.
In den vergangenen Jahren haben es immer wieder Dokumentar- und Spielfilme auf die Leinwand geschafft, die nicht nur in ihrer Bildsprache, sondern auch in ihrer Machart politisch sind.
Zur Geschichte des Independentfilms gehört unumstritten, dass der Weg ins Kino oft mit Hindernissen verbunden ist – und dass das, was wir schließlich sehen, das Ergebnis langer Kämpfe um Filmförderung, Produktionsbedingungen und Sichtbarkeit ist.
In diesem Jahr präsentieren wir Protagonist*innen vor und hinter der Kamera, die sich auf den Weg gemacht haben, weil sie weder an Schicksal noch an Vorherbestimmung glauben – sondern an eine andere Zukunft: für sich selbst und für ihre Mitmenschen.
So beginnen wir die Saison mit »No Other Land« (2024) von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham und Rachel Szor. Der viel diskutierte, kraftvolle Dokumentarfilm könnte nicht aktueller sein. Im Mittelpunkt der Handlung steht das palästinensische Dorf Masafer Yatta im Westjordanland, dass einem Trainingsgelände für die israelische Armee (IDF) weichen soll. Der palästinensische Aktivist und Filmemacher Basel Adra kämpft seit seiner Kindheit gegen die Vertreibung der Bewohner*innen durch israelische Siedler*innen. Als er den israelischen Journalisten Yuval Abraham kennenlernt, entwickelt sich eine Freundschaft und eine Zusammenarbeit an diesem eindrucksvollem Filmprojekt.
Richard III – reloaded: In Berlin kämpft der Untergrund um eine neue Thronfolge. Die arabischen Großfamilien York und Lancaster bekriegen sich seit Jahren. Rashida (Kenda Hmeidan), die unterschätzte Anwältin und Tochter des Hauses York, beendet die Fehde mit einem blutigen Anschlag. Rashida ist Richard – und ihr Problem ist ihr Geschlecht: Als Frau in einer von Männern dominierten Familie wird sie zwar für ihre Tat gelobt, aber zugleich auf ihren Platz verwiesen und zum Gehorsam verdammt. Doch Rashida will Macht – und ist bereit, dafür über Leichen zu gehen. Auf ihrem Weg zur Königin wird sie von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt: von Erinnerungen an eine Kindheit im tobenden Krieg.
Regisseur Burhan Qurbani (»Berlin Alexanderplatz«) hat sich gemeinsam mit Enis Maci den Shakespeare’schen Stoff vorgenommen – und ihn mit präzise geschliffenen Dialogen neu erzählt: roh, poetisch und erschütternd aktuell.
Über mentale Stärke und Willenskraft erzählt Regisseurin Nora Fingscheidt (»Systemsprenger«) in ihrem Spielfilm »The Outrun«. Rona (Saoirse Ronan) hat Jahre ihres Lebens mit exzessivem Trinken verbracht – nun hat sie sich entschlossen, nüchtern zu werden, ihr Umfeld zu wechseln und sich selbst eine neue Perspektive zu geben. Als junge Frau in London war ihr Alltag geprägt von Partys und Gleichgültigkeit. Ihr Leben glich einer Abwärtsspirale – eine Spirale, die sie auf den schottischen Orkneyinseln, ihrem Heimatort, aufzuarbeiten versucht. Die eindrucksvolle, ästhetisch dichte Erzählung basiert auf der Biografie der Journalistin Amy Liptrot und wurde von Nora Fingscheidt mit großer Hingabe und filmischer Sensibilität in Szene gesetzt.
Zu Beginn des Abends sprechen Mika Döring und Mia Gatow vom SodaKlub-Podcast mit Jeri Soleil Perschke (nd) über die Verbindung von Alkohol und Gesellschaft – sowie über die Repräsentation der betrunkenen Frau im Film.
Soundtrack to a Coup d’Etat
In den 1960er Jahren erkämpfen viele afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialmächten. Während die Sowjetunion und andere sozialistische Länder, die Dekolonialisierung unterstützen, sehen die USA und ihre westlichen Verbündeten diese skeptisch. Ihr Interesse gilt vor allem den Bodenschätzen, über die sie die Kontrolle behalten möchten. Die USA versuchen sich unkonventionell und schicken Jazzgrößen wie Louis Armstrong und Nina Simone als Werbeträger*innen in afrikanische Staaten, um den Westen positiv darzustellen, während sich zeitgleich Figuren wie Malcolm X und andere Jazzkünstler*innen mit der Unabhängigkeitsbewegung solidarisieren. Regisseur Johan Grimonprez verwebt in dieser historischen Achterbahnfahrt auf beeindruckende Weise globale Machtstrukturen, antikoloniale Kämpfe und ganz viel Jazz. Ein informativer, mitreißender, emotional bewegender Film über den dekolonialen Kampf.
Die Veranstaltung ist eine in Kooperation mit dem internationalen Symposium »Fanon Today – Contemporary Struggles and Theoretical Perspectives« welches vom 21. - 23. Juni 2025 am FMP1 - Franz-Mehring-Platz 1 Berlin stattfinden wird.
Die Saat des heiligen Feigenbaums
»Die Saat des heiligen Feigenbaums« (2024) ist ein Spielfilm von Mohammad Rasoulof, der heimlich und unter widrigen Bedingungen im Iran gedreht wurde – in nur 70 Tagen. Bei seiner Premiere bei den 77. Filmfestspielen in Cannes erhielt er vermutlich den längsten Applaus in der Geschichte des Festivals.
Der streng gläubige Familienvater Iman (Missagh Zareh) wird gerade zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht in Teheran befördert, als nach dem Tod einer jungen Frau eine landesweite Protestbewegung entfacht wird. Während die Demonstrationen zunehmen und der Staat mit immer härteren Mitteln reagiert, stellt sich Iman auf die Seite des Regimes – und bringt damit das fragile Gleichgewicht seiner eigenen Familie ins Wanken. Ein zentraler Hintergrund der Geschichte ist der Tod von Jina Mahsa Amini, der eine bis heute anhaltende Protestwelle ausgelöst hat. Der tief berührende Film verwebt fiktionale Szenen mit realen Aufnahmen der Demonstrationen in Teheran.
Einfach Machen! She-Punks von 1977 bis heute
»Nicht labern, machen!« – das war das Motto der Punks in den 1970er-Jahren. Auch in Deutschland und der Schweiz entstanden in dieser Zeit Bands, die von Frauen gegründet wurden und bis heute nachwirken. In der Geschichte der Subkultur im deutschsprachigen Raum oft unterrepräsentiert, kommen sie in Reto Caduffs Dokumentarfilm zu Wort. »Einfach machen! She-Punks von 1977 bis heute« porträtiert Künstlerinnen, die 40 Jahre später noch immer – oder wieder – gemeinsam auf der Bühne stehen. In Düsseldorf gründeten sich Östro 430, in West-Berlin Mania D, später Malaria!, und in Zürich Kleenex, später LiLiPUT. Als Pionierinnen des deutschsprachigen She-Punk teilen die Protagonist*innen ihre Erfahrungen, ihre Geschichten – und vor allem das Lebensgefühl der 1970er- und 1980er-Jahre: den Drang, sich Freiräume zu erkämpfen. Ein Bedürfnis, das bis heute aktuell geblieben ist.
Wir wünschen einen schönen Sommer!
Alle Filme im Überblick:
16. Juni 2025
21:45 Uhr
No Other Land
Dokumentarfilm von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham und Rachel Szor
Palästina / Norwegen, 2024
OmU
Einführung: Raul Zelik (nd)
30. Juni 2025
22:00 Uhr
Kein Tier. So Wild.
Regie: Burhan Qurbani
Deutschland, 2025
OmeU
7. Juli 2025
21:45 Uhr
The Outrun
Regie: Nora Fingscheidt
UK / Deutschland, 2024
OmU
21:00 Uhr Einführung und Gespräch mit Mia Gatow und Mika Döring vom SodaKlub-Podcast
21:30 Uhr
Soundtrack to a Coup d’Etat
Dokumentarfilm von Johan Grimonpre
Belgien / Frankreich / Niederlande, 2024
OmU
11. August 2025
21:15 Uhr
Die Saat des heiligen Feigenbaums
Regie: Mohammad Rasoulof
Deutschland / Frankreich / Iran, 2024
OmU
Einführung: Negin Behkam (nd)
25. August 2025
20:45 Uhr
Einfach Machen! She-Punks von 1977 bis heute
Dokumentarfilm von Reto Caduff
Deutschland / Schweiz, 2025
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