Die Entschlossenheit macht den Unterschied

Der auf Umweltrecht spezialisierte Anwalt Robert Bilott kämpft für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.
Sie kämpfen für das Menschenrecht auf unkontaminiertes Trinkwasser. Wie groß ist das Problem in den USA?

Wenn sie Amerikaner fragen, werden die meisten vermutlich davon ausgehen, dass, wenn sie den Wasserhahn aufdrehen, gutes Trinkwasser herauskommt. Jeder vermutet, dass das irgendwer irgendwo kontrolliert. Aber meine Arbeit zeigt: Das ist kaum der Fall. Nur für wenige Chemikalien wurden Grenzwerte festgelegt, es wird vielleicht nach 15 von ihnen gesucht. Aber es gibt über 100 000 Chemikalien, die vielleicht im Wasser sind.

Zur Person

Robert Bilott erhält den nicht dotierten Ehrenpreis »für die Aufdeckung einer über Jahrzehnte andauernden chemischen Umweltverschmutzung, das Erreichen von Entschädigung für deren Opfer und seinen Einsatz für eine effektivere Regulierung gefährlicher Chemikalien«. Der auf Umweltrecht spezialisierte Anwalt wurde 1998 von einem Farmer im US-Bundesstaat Virginia kontaktiert, dessen Kühe qualvoll starben. Bilott fand heraus, dass das Chemieunternehmen DuPont Mitarbeiter und Umwelt der Chemikalie Perfluoroctansäure (PFOA) aussetzte, obwohl es Informationen hatte, die die Gesundheitsschädlichkeit der Chemikalie belegten. 2001 strengte der Anwalt eine Sammelklage gegen das Unternehmen an, der sich 70 000 Geschädigte anschlossen. DuPont musste insgesamt mehr als 700 Millionen US-Dollar in Vergleichen bezahlen. 2013 beendete das Unternehmen die Produktion von PFOA, das wegen seiner wasserabweisenden Eigenschaft in vielen Alltagsgegenständen vorkommt. Nur fünf Unternehmen weltweit produzieren die Chemikalie weiter. Die Arbeit des 1965 geborenen Bilott ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Chemikalienzulassung in den USA überarbeitet wurde.

Foto: rightlivelihoodaward.org/Wolfgang Schmidt

Und Sie beschäftigen sich mit einer einzigen dieser Chemikalien
... die wir auch nur zufällig entdeckt haben. 1998 kam ein Farmer zu uns, wegen seiner sterbenden Kühe. Es gab einen Verdacht, aber keinerlei konkrete Anhaltspunkte. Nach intensiver Kleinstarbeit konnten wir einen Bezug zur DuPont-Fabrik herstellen, die Perfluoroctansäure (PFOA) einfach auf eine Halde kippte. Was mich dabei so erstaunt, ist, wie schwierig der Prozess war, Richtlinien nur für diese eine Chemikalie festzulegen. Vor 16 Jahren haben wir das erste Mal die US-Umweltschutzbehörden informiert, dass sie auf diese Chemikalie schauen sollten; noch immer gibt es keine nationalen Standards, nur Richtlinien. Der Prozess, Regularien zu verabschieden, hat gerade erst begonnen. Trotzdem glaube ich, dass verstanden wurde, dass wir unser System ändern müssen, wie wir mit Chemikalien umgehen, denen wir ausgesetzt sind.

In Europa wird befürchtet, dass das Freihandelsabkommen TTIP dazu führt, dass Unternehmen nicht mehr die Ungefährlichkeit eines Stoffes beweisen müssen, sondern dass dessen Schädlichkeit bewiesen werden muss, bevor es verboten wird. Wie Yetnebersh Nigussie und Colin Gonsalves sind Sie Anwalt. Wie gut schützt das Recht Menschenrechte?Die Nachweispflicht im US-System ist eine große Bürde. Nichtsdestotrotz zeigt unser Fall, dass das Individuum die Chance hat, ein Unternehmen zu verklagen, und wie mächtig der Rechtsstaat für Individuen sein kann. DuPont musste sich seit 2015 dreimal vor einer Jury verantworten und wurde jeweils für schuldig befunden. Das war ein riesiger Erfolg für die betroffene Gemeinde. Auch wenn nur langsam, es ändert sich etwas: 2016 wurde das US-Recht, das die Zulassung von Chemikalien regelt, zum ersten Mal seit 30 Jahren geändert. Die Chemieindustrie muss nun mehr Informationen veröffentlichen, bevor sie einen neuen Stoff auf den Markt bringt. Unser Fall wurde herangezogen, um das Gesetz zu ändern. Die Zulassung von Chemikalien wurde in den USA erst 1976 geregelt. Die Hersteller der Chemikalien, die da bereits auf dem Markt waren, wurden verpflichtet, etwaige Gesundheitsrisiken zu melden. Weil DuPont das nicht getan hat, wurden sie von der Umweltschutzbehörde 2004 verklagt.

Wie geht es weiter?
Wir haben als Beweisführung Tausende Blutproben von Betroffenen gesammelt und konnten so einige der wissenschaftlichen Fragen lösen, was der Stoff im Körper auslöst. Auf der ganzen Welt werden nun Proben genommen. PFOA wurde auch in Australien gefunden, in Europa in Italien, den Niederlanden und in Deutschland in Bayern. Aber: Wir haben gelernt, dass nicht nur die eine Chemikalie PFOA gefährlich ist. Es gehört zu einer Familie von Chemikalien, der Perfluoroctansulfonsäure PFAS, von denen es Tausende ähnliche gibt. Wir müssen die ganze Chemikalienfamilie aus dem Trinkwasser herausfiltern. Derzeit versuche ich eine Studie anzuschieben, die auf dem bisherigen Wissen aufbaut und die die anderen Chemikalien der Familie untersucht.

Sie haben mehrere Tage mit den anderen Preisträgern verbracht. Gibt es etwas, was die Kämpfe für Menschenrechte gemeinsam haben?
Zuallererst bin ich sehr beeindruckt von den anderen Preisträgern, ihrem Willen und der Zielstrebigkeit. Was mich fasziniert hat, ist die Fähigkeit von Individuen, einen Unterschied zu machen und Wandel herbeizuführen. Die Entschlossenheit der Einzelnen und kleinen Gemeinden, gegen alle Widerstände für eine Sache zu kämpfen, ist so mächtig, dass sich Dinge verändern lassen.

Der Alternative Nobelpreis

Der »Right Livelihood Award« wird seit 1980 vergeben, um mutige und engagierte Menschen und Organisationen zu ehren, die mit Visionen oder tatsächlichen Lösungen globale Probleme angehen. In der Öffentlichkeit ist die Auszeichnung auch als Alternativer Nobelpreis bekannt. Es besteht keine institutionelle Verbindung zum Nobelpreis; der »Right Livelihood Award« wird über Spenden finanziert.

Der schwedisch-deutsche Publizist Jakob von Uexküll gründete den »Preis für richtige Lebensführung« aus seinem privaten Vermögen. Der Preis versteht sich als sozial orientierte kritische Alternative zu den traditionellen Nobelpreisen, die nach Meinung Uexkülls von westlichen und konservativ orientierten Preisträgern dominiert sind. In der Regel teilen sich drei Preisträger die dotierte Geldsumme, in diesem Jahr 315 000 US-Dollar. Seit 1982 wird üblicherweise auch ein undotierter Ehrenpreis vergeben.

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