Bremen und die wankende Lohnpyramide

Die Einkommen in der Stadt sind relativ hoch - noch

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Etwas befremdlich wirkt es, wenn der Chef der Bremer Arbeitnehmerkammer - dem für Beschäftigte zuständigen Pendant zur Handelskammer - im hohen Lohnniveau der Hansestadt neben Freude auch Anlass zur Beunruhigung sieht. Genauer gesagt: Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, fürchtet, dass das Lohnniveau nicht so bleibt. Und er hat gute Gründe für seine Warnungen. Mit einem Durchschnittslohn von 3776 Euro monatlich hat Bremen für 2015 den stolzen vierten Platz in der Einkommenspyramide der deutschen Bundesländer erreicht. Das hohe Durchschnittseinkommen beruht auf den vielen Industriearbeitsplätzen, die es im kleinsten Bundesland gibt. Noch.

Etwa ein Fünftel aller Arbeitsplätze in Bremen finden sich in der Industrie, der Rest in der Dienstleistungsbranche. Da aber jeder dritte Dienstleister für die Industrie arbeitet, ist von ihr im Grunde die Hälfte der Bremer Arbeitsplätze abhängig.

Aber auch in der Bremer Industrie rumort es - etwa beim Autobauer Mercedes mit über 12 000 Arbeitsplätzen im Bremer Werk oder beim Flugzeughersteller Airbus mit rund 3000 Arbeitsplätzen am Bremer Standort. Denn die »Industrie 4.0« zieht am Horizont herauf. Der Begriff steht für Automatisierung und Digitalisierung, will sagen: statt Menschen »denken« und lenken Computer, und Handarbeit wird von Robotern übernommen. Also eine Verdrängung von Menschen aus der Arbeitswelt, mit hohen Verlusten an Arbeitsplätzen als Folge.

Auf einer Tagung der Bremer Arbeitnehmerkammer zu eben diesem Thema wurden unter anderem auch konkrete Schätzungen publik. So wird im Bremerhavener Containerumschlagunternehmen NTB davon ausgegangen, dass in naher Zukunft etwa die Hälfte der Fahrer der van-carrier, der hohen Portalstapelwagen für Container durch Automatisierung, eingespart werden können - fast t 400 Arbeitsplätze verschwänden. Wie viele Arbeitsplätze im Bremer Mercedes-Werk noch übrig bleiben werden, wenn der mit 750 Millionen Euro veranschlagte Umbau zur »Fabrik 4.0« abgeschlossen ist, steht noch nicht fest.

Dass von den dann noch dort arbeitenden Menschen ganz neue Fähigkeiten erwartet werden, ist aber schon klar. In dem Werk im Bremer Osten wird in Zukunft auf Mischarbeitsplätze gesetzt, die sich Menschen und Roboter teilen. Zum einen klingt es gut, wenn etwa die anstrengenden Fertigungsprozesse, die über Kopf erledigt werden müssen, den Menschen von Maschinen abgenommen werden. Aber zum anderen werden zum Beispiel auch alle Fahrten auf dem Werksgelände demnächst nicht mehr von Fahrern übernommen, sondern gänzlich computergesteuert organisiert.

Airbus will zukünftig Spezialanfertigungen nicht mehr von Zulieferern herstellen lassen, sondern selber machen - mittels dreidimensionaler Drucker, kurz: 3-D-Drucker genannt. Diese Art der Fertigung verspricht den Vorteil, dass deutlich weniger Abfall als beim Herausfräsen aus Metallblöcken entsteht und weniger menschliche Arbeit nötig ist. Es wird also viel Geld gespart - und die spezialisierten Arbeitskräfte bei den Zulieferern haben weniger bis gar keine Arbeit mehr.

Schierenbecks Warnung ist also eine düstere Zukunftsvision für den Bremer Listenplatz im Bereich der Durchschnittslöhne. Je mehr Industrie- und Zuliefererarbeitsplätze wegfallen, desto weiter unten in der Gehaltstabelle wird Bremen landen. Es sei denn, in der Dienstleistungsbranche gelingt es, gute Gehälter auszuhandeln.

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