Weise bringt sein Amt auf Touren

6000 Asylentscheide pro Tag stellt der Behördenchef in Aussicht

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf bis zu 1,2 Millionen Asylentscheide in diesem Jahr schätzt Frank-Jürgen Weise die Kapazität der zuständigen Bundesbehörde - die unter seinem Kommando steht. Deutlich ist: Sie legt an Tempo zu.

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise hat seit September 2015 einen Nebenjob. Er soll dafür sorgen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den seit Sommer 2015 drastisch gestiegenen Zuzug von Flüchtlingen organisatorisch bewältigt. Vor allem die riesigen Altbestände machen dem BAMF zu schaffen. Derzeit geht die Behörde von mindestens 700 000 Flüchtlingen aus, deren Anträge noch nicht bearbeitet sind, oder die noch gar keinen Antrag gestellt haben bzw. stellen konnten.

Am Freitag zog Weise in Berlin eine erste Bilanz und stellte sein Arbeitsprogramm für 2016 vor. Dieses ist ambitioniert. Binnen sechs Monaten sollen alle Altfälle bearbeitet und zudem die Verfahrensdauer bei Neuanträgen deutlich verkürzt werden. Wurden Anfang 2015 im Durchschnitt noch 600 Asylentscheidungen pro Tag gefällt, waren es am Jahresende bereits 2000. Angestrebt wird aber eine Quote von 6000. Dies soll unter anderem durch eine Aufstockung der Behörde auf 6300 Mitarbeiter erreicht werden, ergänzt durch bis zu 1000 zeitweilig abgeordnete Mitarbeiter anderer Behörden.

Doch neben der personellen Aufstockung geht es Weise und seinem Team vor allem um Prozessoptimierung. Flüchtlinge sollen nach erfolgter Einreise so schnell wie möglich in »Ankunftszentren« weitergeleitet und dort mit einer weitgehend fälschungssicheren, maschinenlesbaren Identitätskarte ausgestattet werden. Bis Mitte des Jahres sollen auch alle Altfälle mit der Karte ausgestattet werden. Damit, so Weise, wolle man Doppelanmeldungen und »Identitätswechsel« vermeiden. Ohne diese Karte werde für Flüchtlinge »künftig nichts mehr laufen, also auch keine Geld- oder Sachleistung«. Derzeit gebe es eine hohe Dunkelziffer, da viele Flüchtlinge nach der Einreise quasi abtauchen und sich einer Registrierung entziehen.

Das Gros der Asylanträge soll ebenfalls in den bundesweit 20 »Ankunftszentren« bearbeitet werden, in jedem Bundesland mindestens eins. Bei deren Konzeption wird deutlich, wie eng die Pläne des BAMF mit den jüngsten Verschärfungen des Asylrechts verknüpft sind. Bereits vor der Antragstellung sollen die Flüchtlinge in mehrere »Cluster« eingeordnet werden: gute, schlechte oder unklare Bleibeperspektive, wobei die jeweiligen Herkunftsländer ein wichtiges Kriterium seien, wie Weise betonte. Man gehe davon aus, dass rund die Hälfte der gestellten Asylanträge binnen 48 Stunden entschieden werden könne. Abgelehnte Bewerber sollen dann in »Wartezonen« der Zentren verbleiben und direkt von dort aus abgeschoben werden, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist.

Wer anerkannt wurde oder wenigstens eine realistische Chance auf Anerkennung hat und arbeitsfähig ist, soll in diesen Zentren auch einen Erstkontakt mit der Bundesagentur für Arbeit erhalten, um vorhandene Qualifikationen und Förderbedarf zu ermitteln. Zur Ausstattung der Zentren gehören Dolmetscher, Ärzte sowie technische Einrichtungen zur Überprüfung der Echtheit vorgelegter Dokumente.

Anschließend erfolgt die Verteilung der Flüchtlinge auf die Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder und schließlich in die Kommunen, wo dann die Außenstellen des BAMF für die weitere Bearbeitung von noch nicht entschiedenen Anträgen zuständig sind und die örtlichen Jobcenter die weitere Betreuung übernehmen. Zu den Zielstellungen der Behörde gehört auch, Flüchtlingen mit Bleibeperspektive schnellstmöglich den Zugang zu Integrations- und Sprachkursen zu ermöglichen, für 2016 wird mit rund 430 000 Teilnehmern gerechnet.

Zu den Plänen der Bundesregierung zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen mochte sich Weise nicht äußern. Man werde auch keine Prognosen abgeben, denn das sei Aufgabe der Politik. Doch auch beim BAMF setzt man offensichtlich auf den Erfolg der geplanten Abschottungsmaßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene. Alle Kapazitätsberechnungen der Behörde basieren auf der Annahme, dass im laufenden Jahr nicht mehr als 500 000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Das erfordert von der Behörde eine Kapazität von 1,2 Millionen Asylentscheiden in diesem Jahr.

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