Bewohner von Gästehaus Moabit können bleiben

Bezirk Mitte bremst einen Betreiber, der mit Flüchtlingen statt Obdachlosen satte Rendite machen wollte

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Zu Ende Januar hätten die wohnungslosen Bewohner des Gästehauses Moabit ausziehen sollen. Sie sind immer noch da. Das kann auch noch eine ganze Weile so bleiben.

»Es ist ein verfestigter Aufenthalt«, sagt Stephan von Dassel (Grüne), Sozialstadtrat von Mitte. »Der Betreiberwechsel hat keinen Einfluss auf das Wohnrecht.« So sieht der Bezirk Mitte die rechtliche Lage im »Gästehaus Moabit«. Den noch 30 Bewohnern, von denen einige bereits über einem Jahrzehnt in der Wohnungslosenunterkunft leben, ist zum 31. Januar gekündigt worden - bisher ohne Konsequenzen.

Hintergrund der Kündigung ist der Plan des amtsbekannten neuen Betreibers Gikon, das Haus künftig für die wohl wesentlich lukrativere Flüchtlingsunterbringung zu nutzen. Die Hausverwaltung Berolina Grundbesitz freute sich natürlich auch auf die gerüchteweise verdoppelten Mieteinnahmen. Per Anwalt ließ die Gikon Mitte Januar mitteilen, dass sie den Bewohnern den Umzug in eine alternative Unterkunft angeboten habe. Da diese jedoch keine Einzelzimmer habe, sei dieses Angebot abgelehnt worden.

»Die Mehrzahl der Bewohner ist schwer alkoholkrank, die kann man nicht schnell irgendwo anders unterbringen«, sagte Stadtrat von Dassel damals im Januar und kündigte an, notfalls das Haus für eine Übergangszeit beschlagnahmen zu wollen.

Doch inzwischen ist eine Beschlagnahmung vom Tisch. »Es könnte dazu kommen, dass am Ende sowohl der Hausbesitzer als auch die Gikon wegen entgangener Einnahmen vom Bezirk Schadenersatz wollen«, sagt von Dassel. Man wolle sich nicht ohne Not in das Vertragsverhältnis einbringen, das bisher nur zwischen Hauseigentümer und Betreiber bestünde. Intensive Beratungen im Bezirksamt hätten den nun eingeschlagenen Weg aufgezeigt, auf dem unveränderten Wohnrecht zu bestehen. Dies erläutert von Dassel den Bewohnern in einem zweiseitigen Schreiben.

Momentan handelt es sich de facto um ein »selbstverwaltetes Wohnprojekt«, sagt der Stadtrat. Der Mietvertrag der Gikon läuft erst ab März, der vorherige Betreiber hat sich aber zu Ende Januar bereits zurückgezogen. Ursprünglich sollten bereits Renovierungsarbeiten laufen, davon hat die Gikon jedoch Abstand genommen, schließlich ist das Haus nicht leer.

Um keinen Vorwand zur Räumung zu geben, werde der Bezirk dem neuen Betreiber den bereits bisher bezahlten Betrag von 22,50 Euro pro Tag und Bewohner anbieten. Er veranlasste auch die Weiterversorgung mit Gas, Wasser und Strom.

»Wir sind der festen Auffassung, dass sie weiterhin legal in der Berlichingenstraße wohnen«, heißt es in dem Brief an die Bewohner. Ansonsten müsse der Betreiber »gegen sie klagen«. Selbst wenn er sich vor Gericht durchsetzen würde, sei der Verbleib aufgrund längerer Fristen gesichert. Darüber hinaus wolle man auch juristische Unterstützung gewähren. »Das ist sozialhilferechtlich nicht einfach, aber das kriegen wir hin«, verspricht von Dassel.

»Mit einer Beschlagnahmung hätten wir faktisch anerkannt, dass die Bewohner kein Wohnrecht mehr dort haben«, sagt der Grüne-Stadtrat. Dieser Fall zeige, dass man manchmal eine Sache aussitzen müsse. Ewig werde man die Bewohner nicht dort halten können, aber es gäbe nun genug Zeit, eine Bleibe für sie zu finden.

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