Keine Schonzeit am Olympia-Dorf

Schön wohnen im Denkmal? Die LINKE warnt vor steigenden Mieten, will die Bürger fragen

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Gemeinde Wustermark hat einen Investor gefunden, mit dem sie das Olympische Dorf von 1936 zum Wohnpark entwickeln kann. Nun aber will die LINKE eine Quote für preiswerte Mieten diskutieren.

Allzu viel ist nicht geblieben vom Olympischen Dorf des Jahres 1936. Von den ursprünglich an die 150 Gebäuden zwischen Dallgow und Elstal (Havelland) stehen noch 20 Mannschaftsunterkünfte, das »Speisehaus der Nationen«, die Schwimm- und die Sporthalle, das Hindenburghaus und das Kommandantenhaus. »Dorf des Friedens« hatten die Nazis die wunderschöne Anlage genannt - zynisch, denn geplant und bald auch genutzt wurde sie von der Wehrmacht. Nach 1945 Kaserne der Sowjetarmee, ist der Zustand der Bauten 24 Jahre nach deren Auszug beklagenswert.

In jüngster Zeit hatte es endlich gute Nachrichten gegeben. 2013 hatte sich nach langer Suche mit der Terraplan Immobilien- und Treuhandgesellschaft ein solider Investor gefunden, mit dem die Gemeinde Wustermark am Entwicklungskonzept für einen Wohnpark auf dem Gelände des Flächendenkmals arbeitet. Wegen dessen »nationaler Bedeutung« fördert der Bund die äußere Erschließung mit 3,9 Millionen Euro fördern. Die Kommune gibt 1,3 Millionen Euro dazu. Mit dabei ist die DKB-Stiftung, die sich als Eigentümerin um den Erhalt des Dorfes kümmert. Es geht um 1000 Wohnungen für 2500 Menschen durch Sanierung und Neubau. Tobias Bank, Linksfraktionschef in der Gemeindevertretung von Wustermark, bereiten diese Pläne Sorgen. Er befürchtet, dass die geplanten Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser im Ortsteil Elstal bald zu steigenden Mieten und zur Verdrängung von Menschen mit niedrigen Einkommen aus ihrem gewohnten Wohnumfeld führen. Schon jetzt lägen viele Kaltmieten bei 6,50 Euro pro Quadratmeter, was dazu führe, dass immer wieder Altmieter eine billigere Bleibe suchen müssten.

Aus diesem Grund hat Bank in der Facebook-Gruppe von Elstal eine Diskussion zu Mieten und zu bezahlbarem Wohnen initiiert und ist auf Gleichgesinnte gestoßen. »Wir wollten sehen, ob das Thema die Elstaler interessiert und wie sie zu einer Einwohnerbefragung zum Thema Sozialwohnung stehen«, sagte Bank. Was er dort las oder von Vertrauten erfuhr, hat ihn dazu bewogen, der Gemeindevertretung eine Einwohnerbefragung vorzuschlagen. Die Elstaler sollen am 10. April, wenn der neue Landrat gewählt wird, über die Frage entscheiden: »Sind Sie dafür, dass mindestens 30 Prozent der neuen Wohnungen, die auf dem Gelände des ehemaligen Olympischen Dorfes entstehen sollen, dauerhaft als Sozialwohnungen zur Verfügung stehen müssen?« So lautet sein Antrag.

Tobias Blank, seit acht Jahren in der Politik, hat gewusst, dass er sich mit seinem Vorstoß in der Gemeindevertretung und bei der Stadt nicht allzu viele Freunde macht. »Mir geht es ja nicht so sehr um die 30-Prozent-Quote, aber es soll nicht wie bisher bei Lippenbekenntnissen bleiben. Ich will eine Diskussion über das Thema bezahlbare Mieten anstoßen, bevor ein Bebauungsplan verabschiedet wird. Wenn es in deren Verlauf bessere Vorschläge gibt, umso besser.«

Bürgermeister Holger Schreiber (parteilos), der in der Region aufgewachsen ist, bereitet Banks Vorstoß mehr als nur Kopfschmerzen. Fürchtet er doch, dass der Investor angesichts derartiger, überraschend auftauchender Vorbedingungen abspringen könnte. Überhaupt hält Schreiber eine solche Mietpreisdebatte angesichts der tatsächlichen Situation für Populismus. »Wir liegen in großen Teilen unserer Wohnungsbestände unter 5,50 Euro pro Quadratmeter«, sagt er. »Wir sind weiterhin preislich sehr akzeptabel. Es musste noch kein Wustermarker oder Elstaler seine Wohnung verlassen, weil er die Miete nicht zahlen konnte.« Und man habe, so der Bürgermeister, weiterhin einen ausgewogenen Mix aus jungen Leuten, Familien, Senioren und auch allein wohnenden Alten gewahrt.

Schreiber will das den Einwohnern schon im Dezember vorgestellte Quartiersentwicklungskonzept für das Olympische Dorf am 23. Februar den Gemeindevertretern vorlegen. Zuvor gibt es weitere Gespräche mit Terraplan, noch nichts ist in trockenen Tüchern. »Es ist unsensibel, in dieser Situation Vorbedingungen zu thematisieren«, hält er dem Linksfraktionschef vor. »Unsere primäre Aufgabe ist die Rettung des Olympischen Dorfes«, so Schreiber. »Und die Wohnungen, die uns ja fehlen, wollen wir dort bauen. Da muss ich als Bürgermeister eingreifen, wenn uns jemand dazwischengrätscht.«

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