Die Bundesliga fürchtet sich vor einem ehemaligen Torwart

Sind befristete Arbeitsverträge im Fußball zulässig? Der Fall Heinz Müller gegen den FSV Mainz 05 könnte weitreichende Folgen haben

  • Ulrike John, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
Bekommen Bundesliga-Fußballer künftig Rentenverträge, können selbst kündigen und dann ablösefrei wechseln? Ein Mainzer Gericht beschäftigt sich mit diesem Szenario.

Der deutsche Profifußball schaut an diesem Mittwoch gespannt auf einen Prozess in Mainz: Das Landesarbeitsgericht verhandelt über die Berufung im Streitfall zwischen dem früheren Bundesligatorhüter Heinz Müller und dem FSV Mainz 05. De facto geht es aber um mehr als das: Sind die üblichen befristeten Arbeitsverträge im Fußball überhaupt zulässig? Falls das erstinstanzliche Urteil nicht gekippt wird, drohen möglicherweise ähnlich weitreichende Konsequenzen wie 1995 im sogenannten Bosman-Urteil.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. März 2015 kann nach Ansicht des Sportrechtsanwalts Christoph Schickhardt »keinen Bestand« haben. Auch der heutige DFB-Interimspräsident Rainer Koch bemängelte damals, »dass das Gericht die Besonderheit der Branche offenbar nicht gewürdigt hat. Für mich steht außer Frage, dass das allgemeine Arbeitsrecht im Fußball so nicht gelten kann.«

Müller hatte 2012 einen Zweijahresvertrag in Mainz unterschrieben. Nachdem dieser ausgelaufen war, musste er den Verein verlassen. Er fand jedoch, dass ihm der Klub durch die Abschiebung in die zweite Mannschaft die Chance auf automatische Vertragsverlängerung bei genügend Erstligaeinsätzen nahm. So klagte er auf »Feststellung des Fortbestandes als unbefristetes Arbeitsverhältnis«, und das Arbeitsgericht entschied: Müllers Vertrag hätte nicht befristet werden dürfen, weil eine Befristung laut Gesetz nur im Falle eines »sachlichen Grundes« oder bis zu einer Gesamtdauer von maximal zwei Jahren zulässig ist. Beides habe nicht zugetroffen, weil der heute 37-Jährige zuvor schon einen von 2009 bis 2012 befristeten Vertrag beim Klub besessen hatte.

Mainz 05 ging in Berufung - und will zur Not bis vors Bundesarbeitsgericht ziehen. Nach Angaben von Müllers Anwalt Horst Klettke sei es seinem Klienten niemals darum gegangen, das System Profifußball anzugreifen. Viele Vereine befürchten nun aber, ihre Profis nicht mehr den gängigen Verträgen ausstatten zu können.

Mit einer »Niederlage« für den Fußball, so Sportrechtler Schickhardt, sei »nicht zu rechnen«. Aber: Der Fußball mache von einer gesetzlichen Ausnahme Gebrauch, die sorgfältig begründet werden müsse. »Dies hat Mainz hoffentlich nachgeholt.«

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) begründet die kurzen Verträge, auf denen das weltweite Transfersystem beruht, sinngemäß damit, dass die Mannschaften einem ständigen Wechsel unterzogen seien. Jürgen Paepke, DFL-Direktor für Recht, sprach von »Rotationsmöglichkeiten im Sinne der Fans und nachrückenden Talenten«. Die Vereinigung der Vertragsfußballspieler sagt, sie habe die Liga schon länger auf die Problematik mit den kurzen Arbeitsverträgen hingewiesen. Die Spielergewerkschaft hatte auch schon mehrfach einen Tarifvertrag für Profis geordert, um nicht länger mit einer Rechtsunsicherheit zu leben.

Für den Mainzer Klubpräsidenten Harald Strutz könnte die Causa Heinz Müller ein Thema werden, »das eine weitreichende Bedeutung wie das Bosman-Urteil hat - wenn es von den nächsthöheren Instanzen bestätigt wird.« Im Fall Jean-Marc Bosman entschied der Europäische Gerichtshof 1995, dass Profifußballer nach Ablauf ihres Vertrags in er EU ablösefrei wechseln dürfen. Das hatte die Transfergepflogenheiten in dem Millionengeschäft stark verändert. dpa/nd

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