Die Zeit nach der Braunkohle

Studie zum Strukturwandel in der Lausitz vorgestellt

Das Lausitzer Revier soll vom Rheinischen Revier lernen, empfiehlt das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie.

Die »Zukunftstour Jugend« führte den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch in die Lausitz. Er schaute dort vorbei in der Bernhard-Kellermann-Oberschule in Senftenberg, die wiederholt als Bildungsstätte mit »hervorragender Berufsorientierung« ausgezeichnet wurde. Von Schülerin Emily Fischer ließ sich Woidke die Inhalte eines Existenzgründerseminars erklären. Anschließend stand ein Besuch der EMIS Electris GmbH in Lübbenau auf dem Programm. Die Firma baut Kraftwerksanlagen. Der Termin stand unter der Überschrift: »Vom Azubi bis zur Geschäftsleitung - überall junge Leute«.

Die Zukunft der Lausitz und die Perspektiven der Jugend in dem Landstrich hängen nicht zuletzt davon ab, wie es sein wird, wenn dort keine Braunkohle mehr gefördert wird. Früher oder später - die Grünen sagen früher, die SPD sagt später und die LINKE liegt mit ihrer Prognose in der Mitte - wird es dazu kommen. Dass es aber dazu kommen wird, das ist unstrittig, und deshalb werden Ideen für den Strukturwandel entwickelt.

Die Grünen-Landtagsfraktion gab dazu eine Studie in Auftrag. Sechs Mitarbeiter des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie erstellten ein 50 Seiten langes Papier. Mit den Autoren Daniel Vallentin und Timon Wehnert präsentierte die Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky die Studie am Mittwoch.

Das Wuppertal-Institut habe Erfahrung mit dem Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier, begründete Schinowsky, warum sich ihre Fraktion an diese Stelle gewandt hatte. Die Untersuchung zielte dann auch auf die Frage ab, ob sich die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen auf Brandenburg übertragen lassen.

Davon, sich die Verhältnisse im Partnerland NRW überstülpen zu lassen, haben die Brandenburger allerdings generell die Nase voll. Zu schlecht sind ihre Erfahrungen mit Besserwessis und ihren Rezepten, die nach der Wende in Brandenburg zum Zuge gekommen sind. Diese Erkenntnis entziehe der Studie die Grundlage, bedauerte Autor Wehnert schmunzelnd. Er konnte den Wert seiner Arbeit jedoch mit dem Argument retten: »Es ist auch nicht alles Gold, was da im Westen glänzt.« Es gebe durchaus auch negative Erfahrungen mit dem Strukturwandel im Rheinischen Revier. Daraus könne man lernen, um die Fehler nicht zu wiederholen. Für den Erfahrungsaustausch biete sich die Technische Universität Dortmund an oder die Technische Hochschule Aachen.

Im Rheinischen Revier leben 2,1 Millionen Menschen und in der Nähe liegen die Ballungszentren Köln, Düsseldorf, Aachen und das Ruhrgebiet, was den Strukturwandel abfedert. Das Lausitzer Revier ist mit 1,1 Millionen Einwohnern dünn besiedelt und die Stadt Cottbus ist mit nur rund 100 000 Einwohnern keine echte Metropole. Das erschwert den Wandel. Der Wandel werde aber auch nicht so dramatisch sein wie nach 1989, glaubt Wehnert. Damals kam die Wende über Nacht. 80 000 Arbeitsplätze hatte es in den Tagebauen, Kraftwerken und Brikettfabriken der Lausitz gegeben. Zehntausende verloren plötzlich ihre Jobs. Heute geht es um 8000 Arbeitsplätze und es bleiben noch Jahrzehnte, um sich darauf vorzubereiten.

Das muss aber auch wirklich mit Bedacht getan werden. Denn es bringe nichts, so Wehnert, Jugendliche in Berufen auszubilden, mit denen sich später nichts mehr verdienen lässt. Welche Branchen nun aber in der Lausitz Zukunft haben, das verrät die Studie nicht. Man habe bewusst darauf verzichtet, fünf oder sechs Bereiche zu nennen, erklärte Vallentin. Dies müsse in einem breiten Dialogprozess in der Lausitz selbst festgelegt werden.

Eigentümlicherweise spielt die Studie ihrem Auftraggeber, den Grünen, kaum in die Hände. Was dort angeraten wird, das klingt, als komme es aus dem Munde von Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) oder aus dem Munde seines Amtsvorgängers Ralf Christoffers (LINKE). Vallentin und Wehnert lobten sogar noch ausdrücklich die Lausitz GmbH, die den Strukturwandel in der Region organisieren soll. Sie bemängelten nur, dass die GmbH von Wirtschaftsvertretern dominiert werde. Die Zivilgesellschaft sollte ihrer Meinung nach einbezogen werden. Das werde zwar kein Spaziergang, es müsste erst Misstrauen abgebaut werden. Im Rheinischen Revier sei es auch so gewesen. Es habe sich dort jedoch bewährt, die Zivilgesellschaft mitzunehmen.

Der Abgeordneten Schinowsky fiel es schwer, die Studie politisch zu benutzen. Es bleibt bei allem Bemühen bei der schlappen Aufforderung: »Statt auf den Eintritt des Krisenfalls zu warten, muss die Landesregierung jetzt bestehende Gestaltungsspielräume nutzen. Sie sollte hierfür - wie in der Studie dargestellt - eine aktive und dauerhafte Rolle bei der Gestaltung des Strukturwandels übernehmen und diesen Prozess mit einem entsprechenden Etat ausstatten.«

Hier gilt offenbar: Von NRW lernen, heißt siegen lernen. Denn erst als das Land Nordrhein-Westfalen dem Basteln an einer Perspektive für das Rheinische Revier Mittel zufließen ließ, da sei die Sache in Gang gekommen, berichtete Vallentin.

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