Ohne Maske in Karlsruhe

Verfassungsgericht befragt NPD zum Parteiprogramm

  • René Heilig, Karlsruhe
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Karlsruher NPD-Prozess ging es am Donnerstag um die Inhalte. Anwalt Peter Richter wollte die »Lkw-Ladung an Vorwürfen« abtragen, die der Partei entgegengebracht würden. Was aber nicht gelang.

Im Parlament darf man Nazi sein. Dort müsse »ungestörtes Parlare« möglich sein, da gebe es Identitätsschutz. Das gelte auch für den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern. Weshalb alle Behauptungen der Schweriner Parlamentspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) irrelevant seien - Peter Richter kam am Donnerstag im Karlsruher NPD-Prozess langsam auf die Betriebstemperatur eines engagierten Vertreters der Partei. Und reizte damit die bislang recht freundlich-interessierten Angehörigen des Zweiten Senats. Der NPD-Rechtsvertreter plusterte sich auf und fragte Bretschneider: »Was machen Sie denn eigentlich sonst noch, außer Vorwürfe gegen NPD-Abgeordnete zu sammeln?!« Er riet der Parlamentschefin, »doch lieber ihre Arbeit zu machen«.

Die Politikerin aus Schwerin, eine gelernte Lehrerin, hatte auf Bitten des Gerichts zahlreiche Beispiele dafür genannt, wie die NPD die Arbeit des Landtages behindert. Mehrfach zitierte sie Fraktionsführer Udo Pastörs, der von der NPD offenbar aus guten Gründen nicht nach Karlsruhe geschickt wurde. Pastörs hatte von »entarteten Menschen« gesprochen - und Asylbewerber gemeint. Er hielt die Vernichtung des »jüdischen Bolschewismus« für eine gute Idee. Andere Parlamentsnazis beschimpften Abgeordnetenkollegen als »Tanten und Tunten«, man hetzte gegen das »asoziale Land« und warf Demokraten vor, eine »Auschwitzkeule« zuschwingen. NPD-Vertreter monierten eine »Finanzmacht der Volksschädlinge« und wollen einer »Polen-Invasion« entgegentreten. NPD-Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommers beteiligten sich an Gedenkveranstaltungen für SS-Leute. Und so weiter.

»Wir müssen alles tun, um den Anfängen zu wehren!«, sagte der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU). Er hatte vor Bretschneider inständig dafür geworben, die NPD zu verbieten. Zwar gebe es eine Vielzahl von Maßnahmen und Gremien, die sich wider den von der NPD wesentlich getragenen Rechtsextremismus engagieren, doch das reiche nicht aus. Er könne die - auch am Vortage von einem Sachverständigen geäußerte - Ansicht nicht teilen, wonach die NPD ungefährlich sei. Der Minister schilderte, wie die NPD, vernetzt mit anderen Rechtsextremisten, regionale Dominanzen aufgebaut hat und politische Gegner in verschiedenster Weise bedroht. Oft so massiv, dass die Polizei Schutzmaßnahmen ergreifen muss.

Das Gericht interessierte sich vor allem für einen Widerspruch zwischen der behaupteten Angst verbreitenden regionalen Dominanz der NPD und den Wahlergebnissen der Partei. Zudem werde in den Verfassungsschutzberichten zumeist nur davon berichtet, dass die NPD Mitglieder verliere und keine geordnete Parteiarbeit gewährleisten könne. Da hatte Caffier, dem ja auch der Verfassungsschutz im Nordosten zugeordnet ist, durchaus ein Problem. Ein größeres allerdings hatten wohl die Richter. Es schien ein wenig so, als könnten sie sich die Realität in den von Rechten so genannten National Befreiten Zonen im Osten der Republik nur schwer vorstellen. Manches braucht vielleicht die eigene Anschauung.

Doch massive Angriffe auf die Demokratie verbinden sich auch in den westlichen Bundesländern mit der Partei, so der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Partei engagiere sich vor allem in Pegida-ähnlichen Gruppierungen, tauche ab in Parteien wie »Dritter Weg« oder »Die Rechte«. In vielfacher Weise versuche die Partei, Menschen zu diskriminieren. Sie halte dem vom Grundgesetz vorgegebenen Prinzip der Menschlichkeit ihre biologistische Idee einer Volksgemeinschaft entgegen. Herrmann sprach von geistiger Brandstifterei. Die Partei heize gerade seit dem verstärkten Zustrom von Flüchtlingen ausländerfeindliche Stimmungen an. Auch in Bayern wirke die NPD als Plattform für andere rechtsextremistische Gruppierungen und nutze dazu die Möglichkeiten, die ihr durch die staatliche Parteienfinanzierung zufließen. Dass die NPD in Bayern nur etwa 700 Mitglieder habe, bedeute nicht, dass sie keine wichtige Rolle in der Szene spiele, so der Minister.

Weithin Kopfschütteln ernteten NPD-Vertreter, als sie auf Nachfrage der Richter Grundsätze ihres durch und durch rassistischen Parteiprogramms erläutern sollten. Sinngemäß geht es darin um die Losung »Deutschland den Deutschen«. Es dürfe kein Bleiberecht für - aus NPD-Sicht - Nicht-Deutsche geben. Man stehe auf dem Standpunkt des Staatsbürgerrechts von 1913 und wehre sich gegen »Überfremdung«. Integration sei Völkermord, in der Schule müssten deutsche und ausländische Kinder in gesonderten Klassen unterrichtet werden.

Der aus dem saarländischen Völklingen stammende derzeitige NPD-Chef Frank Franz hatte mehr als nur Mühe, diese Ziele als mit dem Rechtsstaat vereinbar darzustellen. Alles, was er dazu an Erläuterungen gab, schien vielmehr den Vorwurf zu bestätigen, dass seine Partei rassistisch, antidemokratisch, antisemitisch und also gefährlich ist.

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