Standards, bitte!

Nicolas Šustr über Unterkünfte und Verwaltungstempo

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

»Man muss mit Übergangslösungen und Kompromissen arbeiten«, erklärte am Freitag der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) den Schülern des Lise-Meitner-Oberstufenzentrums in Gropiusstadt. Da ging es um die Willkommensklassen für Flüchtlinge, derer drei dort eingerichtet werden sollen. Niemand sei auf den Flüchtlingsansturm vorbereitet gewesen, daher mussten überall Kompromisse gemacht werden. So auch bei der Flüchtlingsunterbringung. Die zum Teil 800 täglich ankommenden Menschen im vergangenen Jahr bedeuteten laut Müller »zwei Turnhallen pro Tag«.

Die zum Teil schwierigen Verhältnisse bei der Unterbringung seien keinesfalls »Versäumnisse einer schlafmützigen Verwaltung«, behauptete der Regierende tapfer. Das kann man auch so verstehen, dass die schlafmützige Verwaltung die Versäumnisse nicht zu verantworten hat. Je länger man über Sätze nachdenkt, desto mehr Interpretationsspielraum bieten sie.

Eine Schülerin beklagte die langen Wartezeiten vor der Ausländerbehörde als diskriminierend. Müller konterte genialisch: »Diskriminierung wäre es ja, wenn Sie vor der Ausländerbehörde drei Stunden warten und vor dem Bürgeramt nicht.« Natürlich sei das nicht gut, dass überall die Menschen lange warten müssten, schickte er sofort hinterher. Man habe zu spät umgeschaltet vom Personalabbau hin zur wachsenden Stadt.

Es wirkt so, als ob das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) auch bei den Betreibern der Unterkünfte zu spät umschaltet. Seit Monaten gibt es stets die gleichen Klagen über stets die gleichen Betreiber, dass nicht mal die geringen Standards, die für Notunterkünfte gelten, eingehalten werden. Stattdessen erhalten Kritiker mal hier und mal dort Hausverbote.

LAGeSo-Chef Sebastian Muschter hat zwar angekündigt, demnächst die Behörde soweit organisiert zu haben, dass sie auch wieder Begehungen durchführen kann. »Menschen zu helfen bedeutet nicht, nur ein Doppelstockbett in eine Lagerhalle zu stellen«, sagte Müller. Das sollte seine Verwaltung schleunigst verinnerlichen.

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