Gericht bleibt bei Klagen gegen Rundfunkbeitrag skeptisch

Kläger versuchen vor Bundesverfassungsgericht, die Zahlungen als Steuer zu definieren

  • Sven Eichstädt
  • Lesedauer: 4 Min.

Leipzig. In Zeiten von Pegida und den »Lügenpresse«-Vorwürfen sieht sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk starken Vorwürfen ausgesetzt – als »Staatsfunk« wird er regelmäßig beschimpft. Deshalb reichte auch der größte Saal des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig am Mittwoch für all die Zuschauer nicht aus, die die erste Verhandlung über Klagen von Privatleuten gegen die Haushaltsabgabe vor dem obersten deutschen Verwaltungsgericht verfolgen wollten. Es waren vorwiegend Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gekommen, die Stimmung war entsprechend emotional aufgeladen. Argumente der Rundfunkanstalten wurden ausgebuht, Ausführungen der Anwälte der Kläger hingegen beklatscht und bejubelt. Der Vorsitzende Richter Werner Neumann musste, was am Bundesverwaltungsgericht sehr untypisch ist, mehrfach zur Ordnung rufen: »Wir sind hier in einem richterlichen Prozess und nicht in einer allgemeinen Bürgerversammlung. Das Gerichtsverfassungsgesetz sieht Bekundungen von Unmut oder Zustimmung nicht vor.«

Eigentlich geht es zumindest in dem juristischen Streit um Klagen von Privatleuten, die angeben, keinen Fernseher und zum Teil auch kein Radio zu besitzen. Nach der bis Ende 2012 geltenden Regelung mussten sie deshalb entweder keine Rundfunkgebühr oder den ermäßigten Satz von 5,76 Euro zahlen. Aktuell müssten auch sie den monatlichen Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro entrichten, bei der Einführung 2013 hatte er noch bei 17,98 Euro gelegen.

Die Anwälte der acht Kläger wollen erreichen, dass ihre Mandanten wie früher keine oder ermäßigte Rundfunkbeiträge zahlen müssen, weil sie keinen Fernseher und eben zum Teil auch kein Radio besäßen. Sie meinten, bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine Steuer, weil jeder Inhaber und Mieter einer Wohnung den Beitrag zahlen müsse, egal ob er ein Radio oder Fernseher besitze. Wenn es eine Steuer sei, hätten die Bundesländer keine Kompetenz, den Rundfunkbeitrag zu beschließen. Tatsächlich aber hatten die Ministerpräsidenten der Bundesländer den Rundfunkbeitrag 2010 beschlossen.

Richter Neumann führte zahlreiche Argumente an, die dagegen sprächen, dass es sich wie von den Klägern behauptet beim Rundfunkbeitrag um eine Steuer handeln soll. »Gegen eine Steuer spricht, dass sie nicht in den allgemeinen Haushalt fließt, sondern speziell für den Rundfunk bestimmt ist«, sagte der Richter. »Gegen eine Steuer spricht weiter, dass die Höhe der Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag begrenzt wird durch den Bedarf des Rundfunks, den Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs feststellt.«

Die Prozessvertreterin des Westdeutschen Rundfunks erinnerte daran, dass in der Bundesrepublik nach aktuellen Erhebungen 100 Prozent der Haushalte mit einem TV-fähigen Gerät ausgestattet seien: Ob Fernseher, Laptop oder Smartphone. Deshalb sei es gerechtfertigt, von jeder Wohnung den Rundfunkbeitrag zu erheben und nicht mehr wie früher zu ermitteln, ob wirklich ein empfangsfähiges Gerät in der Wohnung stehe. Es habe vor der Einführung des neuen Rundfunkbeitrags, also bei der bis Ende 2012 erhobenen Rundfunkgebühr, ein großes Erhebungsdefizit gegeben, in Großstädten hätten sich oft nur noch 77 Prozent der Haushalte zur Rundfunkgebühr angemeldet.

Das hatte der Sechste Senat, der jetzt wieder verhandelt, auch schon in Urteilen im Oktober 2010 so gesehen. »Die Rundfunkanstalten können an der Gebührenpflichtigkeit von internetfähigen PC daher auf Dauer nur festhalten, wenn diese sich auch tatsächlich durchsetzen lässt«, sagte Richter Neumann damals zur seinerzeitigen Rundfunkgebühr. »Angesichts der Tragbarkeit und oftmals geringen Größe dieser Geräte wird die Zurechenbarkeit zu einem Inhaber ohne dessen Mitwirkung zunehmend schwieriger werden. Der Gesetzgeber wird die Entwicklung genau beobachten müssen, damit nicht am Ende die potentiell große Zahl internetfähiger PCs zum Problem für die Einlösung der Abgabengerechtigkeit und somit zur Rechtmäßigkeitsfrage für diese Anknüpfung der Gebührenerhebung überhaupt wird.«

Anwalt Thorsten Bölck schlug vor, dass doch Richter von Verwaltungsgerichten in ganz Deutschland sich die Wohnungen von Leuten ansehen sollten, die keinen Fernseher und kein Radio besäßen und dass diesen Leuten dann der Rundfunkbeitrag erlassen werden solle. Eine weitere Möglichkeit sei, dass diese Menschen eine eidesstattliche Versicherung abgäben, solche Geräte nicht zu besitzen. Die Vertreterin des Westdeutschen Rundfunks hielt dem entgegen, dass dies nur dem Zeitpunkt entspreche, zu dem die Erklärung abgegeben worden sei und damit nicht ausgeschlossen sei, dass in der Zukunft Radios oder Fernseher oder andere Empfangsgeräte angeschafft würden.

Die Klagen der Privatleute waren zuvor bei Verwaltungsgerichten in Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie dem Oberverwaltungsgericht Münster und dem Verwaltungsgerichtshof München gescheitert. Am Freitag will der Vorsitzende Richter Neumann dann das Urteil verkünden.

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