Der Bulle von Tölz und sein Elektroschocker

In Bayern läuft ein Test, der zur Aufrüstung der dortigen Streifenpolizisten mit Taser-Waffen führen könnte

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 3 Min.
In Bayern wird derzeit der Einsatz von Elektroschockpistolen durch die Polizei geprüft. Diese Waffen sollen künftig Pfefferspray, Schlagstock und Pistole als Einsatzmittel ergänzen. Doch es gibt Kritik.

Bislang sind Polizisten in Bayern mit einem Pfefferspray, einem Schlagstock und einer Schusswaffe ausgestattet. Die drei Einsatzmittel tragen sie stets am Gürtel, um sie bei Bedarf nach streng definierten gesetzlichen Kriterien zur Selbstverteidigung oder zur Abwehr von schwerwiegenden Gefahren anzuwenden. Doch nach Überzeugung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), dem größten Lobbyverband nach der Gewerkschaft der Polizei (GdP), reichen diese Einsatzmittel für die Erfüllung des alltäglichen Arbeitsauftrags längst nicht mehr aus.

Immer öfter käme es zu kritischen Situationen, berichtete DPolG-Landeschef Herrmann Benker schon Anfang Februar, »bei denen die Einsatzmittel Pfefferspray und Schlagstock nicht ausreichen und notfalls von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden muss«. An der Stelle könnten laut DPolG sogenannte Taser die Ausrüstung der Beamten sinnvoll ergänzen. Diese Elektroschockpistolen sind als nicht-tödliche Waffen eingestuft und schießen kleine Pfeilelektroden ab, die in der Haut des Gegnern haften bleiben und ihn durch elektrische Schläge außer Gefecht setzen. Unmittelbar nach einem solchen Treffer erleidet der Betroffene starke Schmerzen und verliert augenblicklich die Kontrolle über seine Muskulatur.

Pro und Kontra auch in Sachsen-Anhalt

Magdeburg. Auch in Sachsen-Anhalt fordert die Polizeigewerkschaft DPolG für alle Streifenpolizisten Elektroschockpistolen. Die Waffesolle die Lücke zwischen Schlagstock, Pfefferspray und Schusswaffengebrauch schließen, forderte der stellvertretende Landesvorsitzende Stefan Perlbach. Der Griff zur Pistole, der meist zu schweren oder tödlichen Verletzungen führt, könne so in vielen Fällen vermieden werden. Landesinnenminister Holger Stahlknecht hält die Ausstattung von Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit Elektroimpulsgeräten zwar für sinnvoll, hat gegen andere Einsatzbereiche jedoch Einwände. Es sprächen einige Gründe dagegen, etwa der deutlich erhöhte Schulungsaufwand. Zudem seien die Geräte rechtlich ähnlich zu behandeln wie eine Schusswaffe. Der Schusswaffeneinsatz gegen den Menschen sei sehr selten. Henriette Quade von der LINKE-Fraktion lehnt den Einsatz solcher Waffen strikt ab: »Diese Geräte sind keinesfalls so harmlos, wie behauptet«, sagte Quade. Sie befürchte, dass die Hemmschwelle zum Einsatz sinke, sobald sie zum Standardrepertoire gehören. dpa/nd

Aktuell sind die Taser in Bayern noch den Sondereinsatzkräften (SEK) vorbehalten. Die beiden SEK-Einheiten nutzen die Geräte seit 2006 im Zuge eines Testbetriebs und haben sie bis Ende des letztens Jahres insgesamt 32 Mal eingesetzt, die Bilanz fällt laut Angaben des Innenministeriums mehrheitlich positiv aus. Die DPolG geht mit ihrer Forderung jedoch weit über die derzeitige Nutzung hinaus und will alle Streifenbeamten mit den Geräten der gleichnamigen Firma ausstatten, die Waffen wären demnach ebenso verbreitet wie heute das Pfefferspray.

Am Sinn einer solchen flächendeckenden Nutzung hat aber auch Bayerns Innenministerium seine Zweifel. Im Gegensatz zur DPolG sehe man in den Geräten kein Allheilmittel, betont Pressesprecher Michael Siefener im Gespräch mit dem »nd«. Dennoch wolle man sich mit den Einsatzmöglichkeiten der Geräte befassen und »ergebnisoffen« die Vor- und Nachteile von »Tasern« prüfen, besonders im Hinblick auf eine breite Verwendung.

Dazu hat das Ministerium eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt, die beim Polizeipräsidium Oberpfalz ansässig ist. Sie soll bis Ende des Jahres auf einer theoretischen Ebene den möglichen Einsatz solcher Waffen prüfen. Dabei gehe es nach Aussagen von Siefener etwa um die Frage, »wo der Taser ein geeignetes Mittel ist und wo nicht«, ob also eine allgemeine Verwendung oder nur eine Anwendung in bestimmten polizeilichen Lagen sinnvoll ist. Außerdem wolle man externe Sachverständige und Gutachten mit einbeziehen, um die Gefahren der Geräte abzuschätzen, sowie auf die Expertise anderer Länder zurückgreifen. Erst danach, wenn die Ergebnisse vorliegen, werde man sich konkretere Gedanken über die Nutzung von Elektroschockpistolen machen.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (AI) sehen den Einsatz von Elektroschockdistanzwaffen dagegen grundsätzlich kritisch. Der ehrenamtliche Rüstungsexperte der deutschen Sektion, Mathias John, verweist vor allem auf Untersuchungen in den USA — dort seien seit 2001 circa 670 Menschen bei Tasereinsätzen gestorben, 43 im Vorjahr. Zudem sieht er die Gefahr, dass durch den Glauben an die nicht letale Wirkung die Hemmschwelle zum Einsatz abgesenkt wird und sie Anwendung finden, wenn eigentlich Deeskalation gefragt wäre.

Die Forderung der DPolG bewertet John deshalb »außerordentlich kritisch«. »Die Waffen sollten eher nicht in der Breite Verwendung finden«, so John, »sondern dem SEK vorbehalten bleiben, um strikte Einsatzregeln und notwendige Spezialisierungen zu sichern.«

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