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Sieben Tage, sieben Nächte

  • Lesedauer: 2 Min.

Journalistenalltag kann zu bestimmten Daten auch ermüdend sein. In diese Woche fiel ein solcher Tag. Denn an jedem 31. März werden in den Frühsitzungen der meisten Redaktionen die immer gleichen Fragen erörtert: Haben wir einen Aprilscherz? Wenn ja, welchen? Wo platzieren wir ihn? Oder ganz und gar: Wer ist eigentlich dafür zuständig? Das kann mit den Jahren ganz schön langweilig sein, zumindest ist es wenig erheiternd. Während es durchaus Kollegen gibt, die sich an derlei Diskussion wie an manchen anderen nicht beteiligen, sehen andere die Möglichkeit, sich mit besonders abwegigen Vorschlägen zu empfehlen. Irgendwann, zum Glück, ist Schluss mit lustig - und der ganzen Konferenz.

Fest steht, der gute alte Aprilscherz hat nicht nur in Redaktionen längst an Bedeutung verloren. Im günstigsten Fall ist er eine mehr und weniger intelligent verpackte Lüge oder Falschmeldung, die sowieso entweder sofort mit schallendem Gelächter oder am nächsten Tag in mehr oder weniger witziger Weise Auflösung erfährt. Und in der Mehrzahl mit der alle Tage über uns ausgeschütteten politischen Realsatire, die im übrigen selten die erlösende Richtigstellung erfährt, sowieso nicht mithalten kann.

Oder können Sie sich daran erinnern, dass Kanzlerin Angela Merkel jemals nach dem »Scherz« mit dem No-Spy-Abkommen und der Enthüllung der NSA-Abhöraktionen von Regierungsmitgliedern im Oktober 2013 klargestellt hat, dass das Ausspähen unter Freunden eben doch geht?

Hat CSU-Chef Horst Seehofer, der öffentlich bis heute sein gutes Verhältnis zur Kanzlerin beschwört, sich auch nur einmal in den letzten zweieinhalb Jahren getraut, »April, April« zu rufen? (Kunststück, sie hätte ihm getreu dem alten Kinderlied antworten können: »Der weiß nicht, was er will« und damit die Lacher auf ihrer Seite gehabt.)

Welches Späßchen zum 1. April könnte beispielsweise das Beharren der deutschen Sozialdemokratie nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt auf ihrem Volksparteienstatus in den Schatten stellen?

Oder ehrlich: Welcher noch so witzige Zeitgenosse wollte es mit dem türkischen Präsidenten Erdogan aufnehmen, der die Quoten einer deutschen Satiresendung in ungeahnte Höhen und die Bundesregierung in tagelanges, betretenes, ohrenbetäubendes Schweigen treibt?

Nein, wir brauchen den Aprilscherz wirklich nicht mehr. Er entstammt einer Zeit, da das Lachen noch als die »natürliche Reaktion eines gesunden Menschen auf komische oder erheiternde Situationen« galt. Heute können wir ganz ohne festes Datum den ganzen lieben langen Tag die Mundwinkel nach oben ziehen. Auch wenn viel zu oft dabei nur ein böses Lachen herauskommt. oer

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