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Buchhaltung als Politikum
Hermannus Pfeiffer über die Tücken bei der Aufarbeitung von Steuerhinterziehung
Banken, Fonds und Investoren haben durch kriminelle Cum-Ex- und Cum-Cum-Deals Milliarden an Steuern hinterzogen. In Deutschland beträgt der Schaden etwa 50 Milliarden Euro, europaweit ist es ein dreistelliger Milliardenbetrag. So weit, so schlecht. Der Skandal flog bereits vor vielen Jahren auf, doch die Verfolgung der einzelnen Fälle zieht sich hin, auch wegen schlecht ausgestatteter und unterbesetzter Behörden. Oft ist es ein Rennen gegen die Zeit, denn die Täter können wichtige Belege nach einer bestimmten Periode einfach vernichten. Im vergangenen Jahr sollte die Aufbewahrungsfrist sogar von zehn auf acht Jahre gesenkt werden – dem allseits geforderten Bürokratieabbau sei Dank. Steuerbetrüger und Finanzkriminelle drohten daher, noch schneller aus dem – pardon – Schneider zu sein.
Hinzu kommt: Die Buchhaltung muss Unterlagen nicht im Original, also in Papierform, aufbewahren. Eine Archivierung in elektronischer Form genügt den Vorgaben. Auch hier sind Manipulationen Tür und Tor geöffnet.
Der unscheinbare Passus zur Fristverkürzung in einem umfangreichen Gesetzespaket wäre wohl einfach so durchgekommen, hätte es nicht einen Aufschrei in der Zivilgesellschaft gegeben. Dass Cum-Ex- und Cum-Cum-Betrüger nicht nur jahrelang dank untätiger Finanzminister Steuern hinterziehen konnten, sondern viele von ihnen damit auch noch durchkommen, wäre ein Skandal im Skandal.
Spätestens dadurch ist die Buchhaltung zum Politikum geworden. Auf öffentlichen Druck hin änderte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil das Gesetz wieder, Ende der Woche beschloss der Bundestag nun, die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen von Banken, Fonds und Versicherungen rückgängig zu machen. Dies wird die Aufklärung vieler illegaler Geschäfte ermöglichen oder erheblich erleichtern – und damit auch die Rückholung der gestohlenen Milliarden.
Der SPD-Politiker ist nun aber gefordert, auch den zweiten Schritt zu tun: nämlich Finanzverwaltung, Steuerfahndung und Zoll mit Personal und Technik aufzurüsten. Nur so werden sich potenzielle Kriminelle in Nadelstreifen zukünftig stärker abschrecken lassen.
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