Der Bremer und die Naturgesetze

Bis das Rathaus wieder die gewohnte grüne Patina hat, dauert es Jahre - zur Verwirrung mancher Hansestädter

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Das weltbekannte Bremer Rathaus braucht dringend ein neues Dach, es soll wie das alte aus Kupfer sein. Doch zunächst war wohl nicht jedem Bremer klar: Das Dach wird eine ungewohnte Farbe haben.

Damit der rot-grüne Bremer Senat nicht länger im Regen steht, lässt er das Rathausdach neu decken. Wobei streng darauf geachtet wird, dass der Zugang zum Ratskeller und den Stadtmusikanten nicht versperrt wird. Und der Roland wird von den Arbeiten nicht betroffen.

Was wie eine Lokalmeldung klingt, hat durchaus eine größere Dimension. Denn das Bremer Rathaus gehört gemeinsam mit der Bremer Roland-Statue, die davor auf dem Marktplatz steht, zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Die UNESCO lässt alle Kulturerbestätten regelmäßig auf Unversehrtheit und Ursprünglichkeit untersuchen. Die maroden Stellen im Kupferdach des Bremer Rathauses, durch die Wasser rieselt und im Gebäude Schäden anrichtet, hat das hansestädtische Landesamt für Denkmalpflege selbst festgestellt.

Es geht dabei um den vor über 600 Jahren errichteten ersten Rathausteil, das sogenannte Alte Rathaus. Die rund 1300 Quadratmeter Kupferabdeckung müssen erneuert werden, um die Original-Dachkonstruktion darunter vor weiteren Nässeschäden zu schützen.

Bremens oberster Denkmalpfleger, Prof. Georg Skalecki, ist sich sicher, den größten Teil der gut eine Million Euro für das neue Kupferdach aus dem Hause der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, zu bekommen. Was die Angelegenheit im Haushaltsnotlageland an der Weser eigentlich zu einer entspannten Aktion machen könnte. Aber so einfach ist das mit der Bevölkerung nicht. Üblicherweise bewahrt man in Bremen zwar eher Ruhe, als sich aufzuregen. Doch dieser Fall liegt anders: Es geht um das Herz der Stadt - und damit das der Bremer. Seit herauskam, dass das Rathaus ein neues Kupferdach bekommt, ist das Vorhaben Stadtgespräch: Denn dieses Dach wird zunächst braun sein, und nicht - wie gewohnt - grün. Diese Perspektive sorgte für Aufregung und kritische Bemerkungen. Die Beruhigungsversuche, Kupfer grüne in etwa 20 Jahren wieder durch, und die umliegenden alten Kirchen und Gebäude seien auch zum Teil nicht mehr grün weil neu gedeckt, fruchteten nicht.

Weil so engagiert diskutiert wird, sah sich nun Denkmalpfleger Skalecki vor der ins Rathaus geladenen Presse zu einer Rechtfertigung genötigt. Das Kupferdach gehöre zum Urzustand, der erhalten bleiben müsse. Künstlich vorgegrüntes Kupfer sehe nicht authentisch aus, zudem sei es nicht so haltbar. Durch den Klimawandel, so der Denkmalschützer, sei mit stärkeren Stürmen zu rechnen, und deshalb die Haltbarkeit des Daches wichtig.

Weil Straßenbahnschienen dicht an der Südseite des Rathauses liegen, wird dort das Gerüst auf dem Balkon aufgesetzt. So bleiben die Rathaus-Arkaden darunter zugänglich. Aber der Balkon kann vorerst nicht genutzt werden, was als weitere Verlust empfunden wird. Kommen doch wehmütige Erinnerungen an den Grün-Rausch vor zwölf Jahren auf, als Werder Meisterschale und Pokal auf dem Balkon präsentierte. Werder lässt sein Vereins-Grün durch schlechte Leistungen verblassen, und nun wird auch noch das Rathausdach barun.

Um des Volkes Seele und die Tourismusbranche nicht zu sehr zu strapazieren, soll pünktlich zum Freimarkt, der sich im Herbst auch zu Füßen des Rolands ausbreitet, das Rathaus wieder ein Dach überm Kopf haben.

Und auch die heimische Handwerkerschaft wurde mit ins Boot geholt. Eine Bremer Firma konnte die Ausschreibung im Zimmerergewerk gewinnen. Was einen Großteil der Arbeiten ausmacht. Bei den Metallarbeiten war eine Firma aus Münster nicht zu schlagen, die bereits mehrere Dome gedeckt hat. Anders als bei der Erneuerung des Kupferdaches auf dem Haus der Bremer Kaufmannschaft vor sieben Jahren, wird beim Rathaus übrigens nicht durch aktuelle Kursverluste beim Kupferpreis Geld gespart werden können. Das Material für das Dach wurde nämlich zu einem festen Preis bestellt.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal