Die Jeton-Razzia

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 2 Min.
570 Gäste waren von SEK-Beamten »zu Boden genötigt«, 160 festgenommen und bis zum nächsten Abend festgehalten worden, wie es später hieß. Nach dem Polizeieinsatz massenweise Nasenbeinbrüche, Platzwunden, blau geschlagene Augenpartien bei den Disco-Gästen. Im Jeton sah es an jenem Augusttag aus wie nach einem Hurrikan. Und das alles, weil der Polizei geflüstert worden war, Hooligans würden sich konspirativ im Jeton treffen, um Gewalt zu verabreden und eine Stadionkasse zu plündern. Alles - nun ja - ein Irrtum der polizeilichen Einsatzleitung. Und das Gesetz neigt nicht dazu, solche Irrtümer zu ahnden. Auch wenn sie wie im Jeton zu arger Unverhältnismäßigkeit führten. Die polizeilichen Übergriffe, die es zweifellos gab, sind vom Gesetz freilich nicht gedeckt. Doch muss jede Tat auch jedem Beamten zugeordnet werden. Und hierin besteht die Crux - die Täter sind amtlich vermummt und behelmt, obgleich Menschen in Uniform ohnehin schon schwer zu unterscheiden sind. Wenn sie plötzlich und mit Vehemenz anrücken, vermag man sie selten zu identifizieren. Da hilft es wenig, dass etwa 8000 Berliner Polizeibeamte ein Namensschild tragen. Das sind sowieso nicht die, die gelegentlich der Übergriffe verdächtigt werden. Auch Nummerncodes tragen kaum zur vom Senat angestrebten Transparenz bei. Eine bürgernahe Polizei, wie sie Berlins Stadtregierung vorschwebt, braucht keine Geheimnistuerei und Tarnung. Der Jeton-Vorfall spricht eher für das Namensschild. Mit ihm und damit der Chance des Nachweises, da darf man sicher sein, hätte es die Übergriffe so nicht gegeben.

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