500 Jahre Wasser, Hopfen und Malz

Vor allem kleine Brauer stört das Reinheitsgebot

  • Stefan Uhlmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Freitag wird groß das 500-jährige Jubiläum des Reinheitsgebots gefeiert. Dabei ist es längst nicht mehr so rein, wie einem die Werbung weiß machen will.

Angela Merkels Verhältnis zum Bier ist ein eher nüchternes. Es gibt zwar unzählige Bilder, auf denen die deutsche Kanzlerin am Gehopften nippt. Aber eigentlich trinkt Merkel lieber Wein. Am Freitag wird sie jedoch eine Eloge auf das heimische Bier halten, vielmehr auf das deutsche Reinheitsgebot. Am Freitag wird es 500 Jahre alt, Merkel hält die Festrede in Ingolstadt. Doch das Gebot ist umstritten.

Der bayerische Herzog Wilhelm IV. befand 1516, dass ins Bier nur Wasser, Hopfen und Gerste gehören. Die Wirkung von Hefe als viertem Bestandteil war da noch unbekannt. Angeblich sollte das Verdikt Bier, damals ein Grundnahrungsmittel, vor Panschereien schützen, wie der Deutsche Brauerbund heute betont. Er nennt das Reinheitsgebot das älteste Verbraucherschutzgesetz der Welt. Doch Historiker verweisen darauf, dass der Weizen den Bäckern vorbehalten werden sollte und den Brauern somit die Gerste, aus der das Malz gewonnen wird.

So rein wie versprochen ist das Bier nicht. Das »Vorläufige Biergesetz« von 1993 lässt viele Hilfsstoffe zu. So setzen die Bierriesen Kunststoffpartikel ein, um Trübstoffe aus dem Bier zu filtern. Statt Hopfendolden wird Hopfenextrakt verwendet. Und als das Münchner Umweltinstitut Ende Februar das Pestizid Glyphosat in den großen Biermarken fand, war die Verunsicherung groß. Für die Industrielobby nicht der Rede wert: Erst beim Genuss von 1000 Litern pro Tag sei dies bedenklich.

Widerstände gegen das Reinheitsgebot gibt es schon lange. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 1987 darf Bier ausländischer Brauereien in Deutschland verkauft werden, wenn es nicht dem Reinheitsgebot entspricht. Auch die deutsche Justiz hat das Gebot aufgeweicht. Die Brandenburger Landesregierung wollte der Klosterbrauerei Neuzelle untersagen, den mit Zuckersirup versetzten »Schwarzen Abt« als Bier zu bezeichnen. Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Brauer Recht.

Der deutsche Biermarkt ist hart umkämpft. In Europa ist Deutschland der größte Produzent, weltweit hinter China, den USA und Brasilien auf Rang vier. Zugleich sinkt der Bierdurst der Deutschen seit langem. Bei 107 Litern lag der Pro-Kopf-Verbrauch 2014, in den 80er Jahren waren es noch 40 Liter mehr. Die deutsche Branche ist international gesehen kleinteilig. Fast 1400 Brauhäuser stellen rund 5000 Biere her. Unter den Top 20 der Welt finden sich keine deutschen Marken.

Zwar herrscht ein harter Wettbewerb. Doch die Zahl der Brauereien in Deutschland hat sich seit 2005 fast verdoppelt. Das hat vor allem mit der Craft-Beer-Welle zu tun, die nach Europa geschwappt ist. In den USA haben die innovativen »Handwerker«, die gegen die dünnen Massenbiere anbrauen, schon zwölf Prozent Marktanteil. Auch in Deutschland macht die Szene Druck. Viele kleine Brauer fühlen sich eingeengt durch das Reinheitsgebot, viele wollen auch mit Früchten und Gewürzen arbeiten. Die Brauriesen reagieren auf ihre Weise: Sie bringen eigene Craft-Biere auf den Markt.

Die Konkurrenz ist indes auch an anderer Stelle zu spüren: Die Gewerkschaft NGG erklärte unlängst die Tarifverhandlungen mit den bayerischen Brauereien für gescheitert. Wenn die Schlichtung am 28. April zu keinem Ergebnis führt, stehen Streiks vor der Tür.

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