»Wir streben ein 3,5:2,5 an«

Ab heute spielt Kramnik gegen »Deep Fritz 10« / ND sprach mit Programmierer Mathias Feist

Heute beginnt in der Bonner Bundeskunsthalle die »World Chess Challenge 2006«. Schachweltmeister Wladimir Kramnik spielt bis zum 5. Dezember sechs Partien gegen den Schachcomputer »Deep Fritz 10« aus der Hamburger Softwareschmiede ChessBase. Die Schachwelt selbst sieht das alles eher unaufgeregt. Doch der allgemeine PR-Rummel ist enorm. Kramniks Antrittsbörse beträgt immerhin 500 000 Dollar. Mit MATHIAS FEIST, einem der beiden »Deep Fritz 10«-Programmierer, sprach ND-Autor RENÉ GRALLA.

ND: Ist Deep Fritz inzwischen unschlagbar oder schafft Kramnik das letzte Hurra der Menschheit gegen eine Maschine?
Mathias Feist: Ich würde so sagen: Inzwischen dürften wir den Punkt erreicht haben, an dem es die letzten interessanten Matches gibt - bevor die Programme zu überlegen werden.

»Deep Fritz 7« hat vor vier Jahren in Bahrain gegen Kramnik ein 4:4 gehalten. Wieso ist »Deep Fritz« inzwischen noch besser?
Vor allem im positionellen Bereich sind wir besser geworden, etwa was die Bewertung von Bauernstrukturen betrifft. Ferner ist mehr Endspielwissen hinzugekommen. »Deep Fritz 10« weiß signifikant mehr und spielt entsprechend stärker, obwohl die reine Rechengeschwindigkeit deutlich langsamer wurde..

Langsamer? Und das bei normalen Bedenkzeiten in Bonn, also 40 Züge in zwei Stunden?
Wir werden gegen Kramnik noch immer über acht Millionen Stellungen pro Sekunde analysieren, das sollte wohl reichen.

Was ist das Besondere?
Das Programm besteht aus mehreren Komponenten. Eine davon ist das Eröffnungsbuch, das am Partieanfang benutzt wird. Abgespeichert sind knapp drei Millionen Positionen.

Welche Rechentiefe hat das Programm?
Abhängig davon, wie komplex die Stellung ist, werden wir vorausschauend mindestens zwischen 16 und 17 Züge erreichen. Natürlich ist das nur die Grundrechentiefe. Manche Zugfolgen verwirft das Programm recht schnell, während es andere Variantenbäume durchprüft bis zum 30. oder 40. Zug. »Deep Fritz 10« hat vier Giga-Byte Hauptspeicher und zwei Dual-Core-Prozessoren.

Einst ging man davon aus, dass ein Elektronengehirn niemals Großmeisterniveau erreichen würde. Ein Irrtum, wie sich spätestens 1997 herausgestellt hat, als der IBM-Rechner »Deep Blue« den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow mit 3,5:2,5 Punkten gedemütigt hat. Woran lag und liegt es?
Der Einsatz von Mikroprozessoren hat die Rechenleistungen der Computer radikal verbessert, das ist sicher ein wichtiger Faktor. Gleichzeitig wurden die Maschinen kleiner und die Speicherkapazitäten größer. Außerdem gibt es verbesserte Programmiertechniken. Beispielsweise ist es durch das so- genannte Null-Move-Verfahren möglich, den den zuvor notwendigen Rechenaufwand um cirka 85 bis 90 Prozent zu vermindern und Kapazitäten freizusetzen für die heute erreichte Suchtiefe. Und das wiederum schafft Spielstärke.

Die Maschine rechnet und der Mensch ist kreativ. So zumindest die Vorstellung in der breiten Öffentlichkeit. Wie kreativ ist »Deep Fritz 10«? Kann das Programm beispielsweise eine Angriffsidee entwickeln?
Aber ja, allerdings gelangt die Maschine dazu auf einem anderen Weg als der Mensch. Für Angriffe haben wir beispielsweise gewisse Standardpläne. Die wendet das Programm an und versucht ständig, sie im Match zu realisieren.

Auffällig ist, dass die besten Spieler der Welt das »Deep Fritz«-Programm nicht mehr besiegen können. Kasparow kam 2003 über ein 2:2 nicht hinaus, auch der deutsche Großmeister Dr. Robert Hübner schaffte 2001 bloß ein Remis mit 3:3.
Im Match gegen Kramnik sehe ich nun sogar eher »Deep Fritz 10« in der Rolle des Favoriten. Auf jeden Fall streben wir einen 3,5:2,5-Erfolg an. Entscheidend ist freilich die Einstellung von Kramnik. Verzichtet der Weltmeister darauf, Partien gewinnen zu wollen, hält Kramnik einfach seinen Laden dicht, dann wird es auch für »Deep Fritz 10« schwer. Der Computer müsste sehr langfristige Pläne entwickeln und würde dann möglicherweise doch an die Grenzen seines Rechenhorizonts stoßen, trotz der Suchtiefe bis zu 40 Zügen.

Wenn nun eine Maschine derart intelligent ist, dass sie unbesiegbar wird im tiefsinnigsten Spiel, das Menschen je ersonnen haben?
Ein Schachprogramm ist ein hoch spezialisiertes System. In dem System, für das es geschrieben ist, nämlich Schach, darf man es durchaus auch intelligent nennen.
Bloß versuchen Sie doch einmal, mit einem derartigen Programm eine Unterhaltung zu führen: Da wird es kläglich scheitern. Die spektakuläre Machtübernahme durch Schachcomputer ist also nicht zu befürchten.

Kramnik kriegt viel Geld. Umgekehrt geht das »Deep Fritz 10«-Team in jedem Fall leer aus. Finden Sie das nicht etwas ungerecht?
Nein, für uns ist diese Veranstaltung eine ausgezeichnete Werbung, damit sind wir vollständig zufrieden.

Zweiter Mann im Team »Deep Fritz 10« ist der Niederländer Frans Morsch. Wie teilen Sie die Aufgaben untereinander auf?
Der größere Teil der Engine stammt von Frans Morsch. Ich habe die Datenbank mit Endspielwissen aufgestockt und übernehme auch das Testen.

In Bonn gegen Kramnik sind Sie das Gesicht von »Deep Fritz 10«. Sie führen die Züge aus, die der Computer vorgibt.
Frans Morsch mag das nicht, also mache ich das.

Darin haben Sie ja schon Übung. Auch während des ersten Wettkampfes von »Deep Fritz« gegen Kramnik in Bahrain saßen Sie am Brett ...
... und das ist manchmal richtig anstrengend, insbesondere, wenn der Computer einen Zug anzeigt, den ich persönlich nicht spielen würde. Das kann schon an den Nerven zerren.

»Deep Fritz 10« ist in der Version »Fritz 10« selbst für Amateure zu kaufen. Was sollen die damit?
Natürlich Schach spielen! »Fritz 10« verfügt über einen Modus, der sich der Spielstärke seines Gegners anpasst. Dann versucht Fritz, nicht mehr als 60 Prozent der Partien zu gewinnen. Damit Sie einen Gegner haben, gegen den es sich zu spielen lohnt - weil Sie ihn auch mal schlagen können. Dieser spezielle Modus heißt »Freund«.

Match bei www.chessbase.de
ND: Ist Deep Fritz inzwischen unschlagbar oder schafft Kramnik das letzte Hurra der Menschheit gegen eine Maschine?
Mathias Feist: Ich würde so sagen: Inzwischen dürften wir den Punkt erreicht haben, an dem es die letzten interessanten Matches gibt - bevor die Programme zu überlegen werden.

»Deep Fritz 7« hat vor vier Jahren in Bahrain gegen Kramnik ein 4:4 gehalten. Wieso ist »Deep Fritz« inzwischen noch besser?
Vor allem im positionellen Bereich sind wir besser geworden, etwa was die Bewertung von Bauernstrukturen betrifft. Ferner ist mehr Endspielwissen hinzugekommen. »Deep Fritz 10« weiß signifikant mehr und spielt entsprechend stärker, obwohl die reine Rechengeschwindigkeit deutlich langsamer wurde..

Langsamer? Und das bei normalen Bedenkzeiten in Bonn, also 40 Züge in zwei Stunden?
Wir werden gegen Kramnik noch immer über acht Millionen Stellungen pro Sekunde analysieren, das sollte wohl reichen.

Was ist das Besondere?
Das Programm besteht aus mehreren Komponenten. Eine davon ist das Eröffnungsbuch, das am Partieanfang benutzt wird. Abgespeichert sind knapp drei Millionen Positionen.

Welche Rechentiefe hat das Programm?
Abhängig davon, wie komplex die Stellung ist, werden wir vorausschauend mindestens zwischen 16 und 17 Züge erreichen. Natürlich ist das nur die Grundrechentiefe. Manche Zugfolgen verwirft das Programm recht schnell, während es andere Variantenbäume durchprüft bis zum 30. oder 40. Zug. »Deep Fritz 10« hat vier Giga-Byte Hauptspeicher und zwei Dual-Core-Prozessoren.

Einst ging man davon aus, dass ein Elektronengehirn niemals Großmeisterniveau erreichen würde. Ein Irrtum, wie sich spätestens 1997 herausgestellt hat, als der IBM-Rechner »Deep Blue« den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow mit 3,5:2,5 Punkten gedemütigt hat. Woran lag und liegt es?
Der Einsatz von Mikroprozessoren hat die Rechenleistungen der Computer radikal verbessert, das ist sicher ein wichtiger Faktor. Gleichzeitig wurden die Maschinen kleiner und die Speicherkapazitäten größer. Außerdem gibt es verbesserte Programmiertechniken. Beispielsweise ist es durch das so- genannte Null-Move-Verfahren möglich, den den zuvor notwendigen Rechenaufwand um cirka 85 bis 90 Prozent zu vermindern und Kapazitäten freizusetzen für die heute erreichte Suchtiefe. Und das wiederum schafft Spielstärke.

Die Maschine rechnet und der Mensch ist kreativ. So zumindest die Vorstellung in der breiten Öffentlichkeit. Wie kreativ ist »Deep Fritz 10«? Kann das Programm beispielsweise eine Angriffsidee entwickeln?
Aber ja, allerdings gelangt die Maschine dazu auf einem anderen Weg als der Mensch. Für Angriffe haben wir beispielsweise gewisse Standardpläne. Die wendet das Programm an und versucht ständig, sie im Match zu realisieren.

Auffällig ist, dass die besten Spieler der Welt das »Deep Fritz«-Programm nicht mehr besiegen können. Kasparow kam 2003 über ein 2:2 nicht hinaus, auch der deutsche Großmeister Dr. Robert Hübner schaffte 2001 bloß ein Remis mit 3:3.
Im Match gegen Kramnik sehe ich nun sogar eher »Deep Fritz 10« in der Rolle des Favoriten. Auf jeden Fall streben wir einen 3,5:2,5-Erfolg an. Entscheidend ist freilich die Einstellung von Kramnik. Verzichtet der Weltmeister darauf, Partien gewinnen zu wollen, hält Kramnik einfach seinen Laden dicht, dann wird es auch für »Deep Fritz 10« schwer. Der Computer müsste sehr langfristige Pläne entwickeln und würde dann möglicherweise doch an die Grenzen seines Rechenhorizonts stoßen, trotz der Suchtiefe bis zu 40 Zügen.

Wenn nun eine Maschine derart intelligent ist, dass sie unbesiegbar wird im tiefsinnigsten Spiel, das Menschen je ersonnen haben?
Ein Schachprogramm ist ein hoch spezialisiertes System. In dem System, für das es geschrieben ist, nämlich Schach, darf man es durchaus auch intelligent nennen.
Bloß versuchen Sie doch einmal, mit einem derartigen Programm eine Unterhaltung zu führen: Da wird es kläglich scheitern. Die spektakuläre Machtübernahme durch Schachcomputer ist also nicht zu befürchten.

Kramnik kriegt viel Geld. Umgekehrt geht das »Deep Fritz 10«-Team in jedem Fall leer aus. Finden Sie das nicht etwas ungerecht?
Nein, für uns ist diese Veranstaltung eine ausgezeichnete Werbung, damit sind wir vollständig zufrieden.

Zweiter Mann im Team »Deep Fritz 10« ist der Niederländer Frans Morsch. Wie teilen Sie die Aufgaben untereinander auf?
Der größere Teil der Engine stammt von Frans Morsch. Ich habe die Datenbank mit Endspielwissen aufgestockt und übernehme auch das Testen.

In Bonn gegen Kramnik sind Sie das Gesicht von »Deep Fritz 10«. Sie führen die Züge aus, die der Computer vorgibt.
Frans Morsch mag das nicht, also mache ich das.

Darin haben Sie ja schon Übung. Auch während des ersten Wettkampfes von »Deep Fritz« gegen Kramnik in Bahrain saßen Sie am Brett ...
... und das ist manchmal richtig anstrengend, insbesondere, wenn der Computer einen Zug anzeigt, den ich persönlich nicht spielen würde. Das kann schon an den Nerven zerren.

»Deep Fritz 10« ist in der Version »Fritz 10« selbst für Amateure zu kaufen. Was sollen die damit?
Natürlich Schach spielen! »Fritz 10« verfügt über einen Modus, der sich der Spielstärke seines Gegners anpasst. Dann versucht Fritz, nicht mehr als 60 Prozent der Partien zu gewinnen. Damit Sie einen Gegner haben, gegen den es sich zu spielen lohnt - weil Sie ihn auch mal schlagen können. Dieser spezielle Modus heißt »Freund«.

Match bei www.chessbase.de

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