Romantisches Hindernis

MEINE SICHT

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

London, Paris, Toronto und Peking haben sie schon aus ihren Straßen verbannt, die Pferdekutschen. Weltweit protestieren Tierschützer regelmäßig gegen das scheinbar so romantische Überbleibsel des vormotorischen Zeitalters. Pferde gehören nicht in die Großstadt, heißt es immer wieder. Zu heiß, zu laut, zu sonstwas sei es. Innerhalb kürzester Zeit wurden nun Zehntausende Menschen mobilisiert, zumindest zur Signatur auf einer Petitionswebseite.

Zehn bis 15 Anbieter mit rund 100 Pferden gibt es in Berlin momentan, schätzt die Tierschutzorganisation Peta. Die findet man eher im Internet als im Straßenbild. »Altdeutsche Pferdetaxe«, »Pferdedroschke« oder »Berlin Hochzeitskutsche« nennen sich die Anbieter. Wo Romantik im Spiel ist, hat die Realität keine Chance. Dass man früher zum Beispiel froh war, als die Pferdefuhrwerke langsam aus dem Stadtbild verschwanden. Immer wieder gingen Tiere durch, Pferdeäpfel waren ein permanentes Ärgernis, mitten auf der Straße zusammenbrechende Pferde waren auch kein seltener Anblick. Teuer waren die Gäule übrigens auch im Betrieb - die Pflege und das Futter kosteten ordentlich. Die Elektrifizierung der ehemaligen Pferdebahnstrecken brachte den Betreibern deutliche Einsparungen.

Inzwischen ist Tierschutz die Triebfeder, sicherlich zurecht. Denn obwohl die eine oder andere Beobachtung dramatisiert sein dürfte, so kann man schon davon ausgehen, dass die Steppentiere sich auf der Weide wesentlich wohler fühlen. Wirklich nachvollziehbar ist es nicht, dass der Senat der Droschkenkutscherei kein Ende setzt. Wirtschaftlich spielt sie keine Rolle und sonst kämpft er gegen jedes Verkehrshindernis.

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