Der Genosse mit der Schreibmaschine

Stéphane Mallarmé gilt als der Vergeistigte unter den Dichtern. In Wahrheit war er ein moderner Materialist, wenn nicht sogar ein Revolutionär. Von Stefan Ripplinger

  • Stefan Ripplinger
  • Lesedauer: ca. 6.0 Min.

Vor vielen Jahren war ich zu einem Abendessen mit Dichtern und Kulturschaffenden geladen. Das Gespräch ging, wie sollte es anders sein, über Dichtung. Stéphane Mallarmé, sagte ein Dichter neben mir, habe noch mit der Feder geschrieben. »Nein«, sprach es aus mir, »er benutzte eine Schreibmaschine.« Das Gespräch verstummte schlagartig, alle schauten auf mich, der zuvor kein einziges Wort gesagt hatte.

»Er schrieb mit der Schreibmaschine«, wiederholte ich trotzig in die Stille. Nach ein paar Schrecksekunden und einigem Achselzucken begann das Plaudern wieder. Auf dem Heimweg sagte ich zu meiner Gefährtin: »Ich weiß gar nicht, wie ich auf diese abenteuerliche Behauptung gekommen bin.« Noch tagelang suchte ich nach einem Beleg für Mallarmés Schreibmaschine. Ohne Erfolg.

Schreibmaschinen gibt es serienmäßig schon seit den 1860er Jahren. Mallarmé starb 1898, weshalb sollte er nicht eine Schreibmaschine benutzt haben können? Überlass...


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