Von Anfang an ein Flop

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Als am 1. April 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket in Kraft trat, hagelte es von vornherein Kritik. tagesschau.de fasste die Bewertung von Marcus Krüger, Sozialberater einer Beratungsstelle der Caritas im Main-Taunus-Gebiet, damals wie folgt zusammen: «Ideologisch geprägt, Blödsinn, an der Praxis vorbei.» Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, sah in dem Gesetz auf dlf.de «eine Art Sturzgeburt». Auch die damalige bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer war unzufrieden. Auf welt.de sprach sie sich für Barzahlung aus: «Beim Schulbedarf hat Frau von der Leyen ja selber festgestellt, dass das Bargeld zweckentsprechend verwendet wird, deshalb wird dieser Betrag von 100 Euro bar an die Eltern gezahlt. Warum dann nicht auch die Teilhabepauschale von 10 Euro im Monat bar auszahlen? Die Kinder haben einen vom Verfassungsgericht bestätigten Anspruch darauf.»

Immer wieder wurde auf die zu hohen bürokratischen Hürden verwiesen. Dennoch zeigte sich die damalige Bundessozialministerin Ursula von der Leyen unbeeindruckt. «Warnungen vor einem ›Bürokratiemonster‹ hätten sich nicht bewahrheitet. Die Anlaufprobleme seien beseitigt», wurde sie 2012 auf spiegel.de zitiert. «Es macht überhaupt keinen Sinn, Erfolge herbeizureden, wo keine Erfolge sind», reagierte daraufhin der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider. Es sei «desaströs, dass ein Jahr nach Start des Bildungspakets nur ein Fünftel der Gelder für Schulbedarf, Mittagessen oder Gutscheine, für Vereinsmitgliedschaften oder Musikunterricht abgerufen worden seien.

2013 war auf taz.de zu lesen, dass der Bund aus dem Bildungs- und Teilhabepaket »284 Millionen Euro« erstattet sehen will, da die »Länder das Geld nicht vollständig abgerufen« hätten. Auch hier die unüberwindbare Bürokratie als Begründung. Laut dem sozialpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, seien allein 30 Prozent der Gesamtausgaben des Pakets Kosten der Verwaltung. Er forderte dessen Abschaffung.

Nun, fünf Jahre nach Einführung des Bildungspaktes, sprechen sich der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Deutsche Kinderschutzbund auf mdr.de gemeinsam gegen das Paket aus: »Diese Hilfe ist gescheitert«. Um bedürftige Kinder zu unterstützen, seien, so Ulrich Schneider, die Leistungen der Höhe nach zu niedrig und zu schwerfällig der Form nach. Immer noch sähen sich die Betroffenen einem »massiven bürokratischen Aufwand« gegenüber. Zudem entsprächen die »standardisierten Leistungen« nicht den »vielfältigen Lebenslagen«, pflichtet ihm der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, bei. Die Verbände fordern einen »kompletten Neuanfang« und ernten Zuspruch vom DGB in Sachsen und Thüringen. Der DGB Thüringen spricht sich für einen »eigenständigen Regelsatz« für Kinder aus, der, »vernünftig ausgerechnet«, eine tatsächliche Teilhabe garantiere. Lena Tietgen

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