23 Sportler bei Olympia 2012 waren gedopt

Zahlreiche positive Test bei Nachkontrollen zeigt mögliches Ausmaß des Betrugs bei Spielen in London

  • Lesedauer: 3 Min.
Das IOC landet im Anti-Doping-Kampf den nächsten Coup. Auch die Nachkontrollen von London 2012 bringen weitere Athleten unter Dopingverdacht. Insgesamt wurden innerhalb von zehn Tagen 55 Sportler positiv getestet. Namen wurden noch nicht genannt.

Lausanne. 70 Tage vor den Sommerspielen in Rio hat das Internationale Olympische Komitee für das nächste Doping-Beben gesorgt: In einer zweiten Welle wurden bei Nachkontrollen insgesamt 23 Sportler von London 2012 und ein weiterer Teilnehmer von Peking 2008 positiv getestet, womit sich die Anzahl der verdächtigen Sportler innerhalb von zehn Tagen auf 55 Athleten erhöhte. »Die Nachkontrollen zeigen unsere Entschlossenheit im Kampf gegen Doping«, sagte IOC-Präsident Thomas Bach und ergänzte: »Wir wollen die Doper von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro fernhalten.«

Namen nannte das IOC nicht, zumal es sich in allen Fällen zunächst um die A-Probe handelt. Die nationalen Verbände werden im nächsten Schritt über mögliche Fälle informiert. Bei der ersten Auslese vor einer Woche, als 31 Sportler bei Nachtests zu den Spielen 2008 positiv getestet worden waren, hatte kein deutscher Athlet Post erhalten. Wohl aber 14 russische Sportler, darunter offenbar auch zehn Medaillengewinner. Eine davon war Hochsprung-Olympiasiegerin Anna Tschitscherowa, wie ihr Trainer bekanntgab.

Damit müssen vor den Rio-Spielen die Ergebnislisten eifrig umgeschrieben werden. Die B-Proben und mögliche Urteile sollen schnell abgewickelt werden, wie Bach durchblicken ließ: »Ich habe bereits eine Disziplinarkommission benannt, die mit der Befugnis ausgestattet ist, Entscheidungen im Sinne des IOC herbeizuführen.«

Von den Spielen in London wurden 265 Proben mit verfeinerten Analyseverfahren erneut untersucht, was offensichtlich ein voller Erfolg war. Auf welche Mittel neu getestet wurde, ließ das IOC zunächst aus taktischen Gründen offen. Die Ringe-Organisation kündigte jedoch an, weitere Tests durchzuführen, so dass sich die Anzahl verdächtiger Sportler weiter erhöhen kann.

Michael Vesper, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), begrüßte das rigorose Vorgehen des IOC. Die Ermittlungen seien eine wichtige Nachricht für die sauberen Sportler. »Und sie dient gleichzeitig der Abschreckung und ist eine Warnung an alle Athleten, die betrügen wollen: Sie können sich nicht sicher fühlen, auch wenn sie Mittel nutzen, die noch nicht nachweisbar sind. Sie können auch sehr viel später noch überführt werden. Wir unterstützen diesen bemerkenswerten Schritt des IOC voll und ganz.«

55 positiv getestete Athleten innerhalb kürzester Zeit, ein derartiger Coup ist den Doping-Fahndern noch nicht geglückt. Zum Vergleich: Bei den Spielen in London wurden bis zum Schlusstag nur acht Athleten bei der Rekordzahl von mehr als 5000 Doping-Kontrollen erwischt. Doch neue, feinere Testverfahren lassen die Betrüger mit vielen Jahren Verspätung zittern. »Die sogenannte Nachtestung ist doch ein herrliches Instrument, die Sportgeschichte zu korrigieren«, sagte Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel der dpa.

Das Thema Doping dürfte im Vorfeld der Spiele das vorherrschende Thema bleiben, zumal auch in der Causa Russland noch wichtige Entscheidungen anstehen. Am 17. Juni will der Leichtathletik-Weltverband entscheiden, ob der Ausschluss russischer Sportler auch für die Spiele in Rio aufrechterhalten wird. Ein WADA-Report hatte im vergangenen November über systematisches Doping, Vertuschung bis hin zu Korruption in der russischen Leichtathletik berichtet.

Doch womöglich ist der gesamte russische Sport betroffen, sollten sich die Äußerungen von Gregori Rodschenkow bewahrheiten. Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors hatte vor gut zwei Wochen von systematischer Manipulation bei Doping-Proben während der Winterspiele 2014 in Sotschi gesprochen. 15 der russischen Medaillengewinner sollen demnach gedopt gewesen sein. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat eine Untersuchung eingeleitet, die bis zum 15. Juli abgeschlossen sein soll.

Der von Erfolg besessenen Sportnation stehen ungemütliche Zeiten bevor. Und die nächsten »blauen Briefe« aus Lausanne könnten schon unterwegs sein. dpa/nd

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