Jedes Kind soll gleich viel wert sein

Verbände fordern Pauschale von 250 bis 300 Euro

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Franz Segbers findet, dass die Förderung der Kinder hierzulande auf dem Kopf steht. »Manche Kinder haben sich wohl die falschen Eltern gewählt«, sagt der Sozialethiker aus Marburg. Denn was die Politik gerne verschweigt: Besserverdiener bekommen netto im Monat 277 Euro an Kinderförderung, bei Normalverdienern sind es nur noch rund 190 Euro und ausgerechnet Hartz-IV-Familien gehen bei Kindergelderhöhungen leer aus, weil diese auf die Kinderregelsätze angerechnet werden.

Vor knapp einem Jahr hielt Segbers über diese Schieflage auf dem Kirchentag in Stuttgart einen Vortrag, nun konnte er am Dienstag in Berlin den verbandsübergreifenden Aufruf »Wir wollen eine Gesellschaft, in der jedes Kind gleich viel wert ist« mitvorstellen. Über 30 Organisationen wie Attac, die Diakonie, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft oder das Deutsche Kinderhilfswerk haben den Aufruf unterzeichnet. Ihre gemeinsame Forderung: ein bedingungsloses Grundeinkommen für Kinder.

Die Familienpolitik hierzulande ist den Unterzeichnern zufolge nicht nur ungerecht, weil ausgerechnet jene am wenigsten unterstützt werden, die am meisten Hilfe bräuchten. »Das bisherige Nebeneinander aus Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Kinder-Regelsätzen und Pauschalen des Bildungs- und Teilhabepakets ist viel zu kompliziert«, sagt Maria Loheide vom Vorstand der Diakonie Deutschland. Gerade das 2011 eingeführte Bildungspaket für sozial schwache Familien ist ihrer Meinung nach zu kompliziert ausgestaltet, so dass dadurch bedürftige Kinder und Jugendliche nur wenig erreicht werden.

»Wir brauchen eine finanzielle Grundförderung, die das Existenzminimum aller Kinder abdeckt«, fasst Loheide die zentrale Forderung des Bündnisses zusammen. Ihr schwebt eine Zahl von 250 bis 300 Euro vor, die einem Kind je nach Alter pro Monat zukommen müssten. Dies sind rund 50 Euro mehr als die Hartz-IV-Sätze für Kinder. Zudem brauche es eine bedarfsabhängige Unterstützung von Kindern und Familien bei Bedürftigkeit. »Neben dem Wohngeld sind dabei alle Kosten zu berücksichtigen, die mit dem Schulbesuch zusammenhängen«, so Loheide. Also Nachhilfeunterricht, der nicht erst geleistet werden dürfe, wenn die Versetzung gefährdet sei, sowie das Mittagessen in Schule oder Hort. »Letztlich brauchen wir eine bessere Infrastruktur für Kinder und Familien«, fügt Loheide hinzu. Gemeint ist damit nicht nur die Ganztagsbetreuung und der Ausbau der Betreuung von Unterdreijährigen, sondern auch eine bessere Förderung von Hilfe-, Beratungs- und Freizeitangeboten.

Denn für die Kinder hat ihre Armut ihr ganzes Lebern lang Folgen. »Auch wenn neben finanziellen Aspekten andere Faktoren wie soziale Unterstützungsnetzwerke oder Verbesserungen der Infrastruktur eine Rolle spielen, ist ein ausreichendes Familieneinkommen zentral für die kindliche Entwicklung«, sagt etwa die Sozialforscherin Evelyn Sthamer von der Goethe-Universität Frankfurt.

Das heißt letztlich, wer arm geboren wurde, stirbt meist auch arm.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal