Ein Polizist in der Linkspartei

Ehemaliger FDP-Landtagsabgeordneter Büttner findet seinen Wechsel nach wie vor richtig

Andreas Büttner ist nicht der einzige Polizeibeamte in der Linkspartei. Aber er ist kein übrig gebliebener DDR-Volkspolizist und auch kein ehemaliger Offiziersschüler wie Jürgen Maresch aus Cottbus. Maresch ist Erster Polizeihauptkommissar der Bundespolizei, ein hohes Tier also. Er saß von 2009 bis 2014 für die LINKE im Landtag, trennte sich dann im Streit von Fraktion und Partei.

Büttner hat als Oberkommissar drei silberne Sterne weniger als Maresch an seiner Uniform, aber er stammt aus Westdeutschland. Ein Polizist mit diesem Hintergrund ist sehr selten in der Linkspartei. Zudem ist Büttner von der FDP gekommen, war ihr Fraktionsvorsitzender im brandenburgischen Landtag. Das ist einzigartig.

Etwas mehr als ein halbes Jahr nach seinem Übertritt von der FDP in die LINKE bereut Büttner seinen Schritt kein bisschen. Im Gegenteil. Er habe sich seitdem intensiv mit verschiedenen Aspekten der Sozial-, Bildungs-, Asyl- und Außenpolitik befasst und dazu die politischen Forderungen der FDP und der Linkspartei verglichen, sagt er. Seine Entscheidung halte er nun für »immer richtiger«.

Zum Beispiel Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland. Die lehnt Büttner ab. Wenn Militärärzte humanitäre Hilfe leisten, etwa wenn in Afrika die gefährliche Krankheit Ebola grassiert, das sei etwas anderes. Oder der Mindestlohn. Der ist einst im Landtag besprochen worden, und Büttner hatte, wie die Wähler das von einem FDP-Politiker erwarten durften, dagegen gewettert. Heute sagt er: »Was war schlimm am Mindestlohn? Nichts!« Damals fuhr er nach der Parlamentssitzung nach Hause und tankte an einer Autobahnraststätte. Die Kassiererin hatte die Debatte im Fernsehen verfolgt, erkannte ihn und fragte: »Was haben Sie dagegen, dass ich ein bisschen mehr Geld verdiene?« Büttner dachte darüber nach und schämte sich für seine Rede.

Er stellte sich auch selbst Fragen. Zum Beispiel: »Wie kann es sein, dass eine Erzieherin in Templin vor der Arbeit noch Zeitungen austragen muss, um über die Runden zu kommen? Hier stimmt doch was nicht in der Gesellschaft!« Damit nicht genug. In seiner Wahlheimat in der Uckermark - von dort pendelt er zur Arbeit auf einer Polizeiwache in Berlin - wurde die vorher privatisierte Müllentsorgung rekommunalisiert. Das war richtig, findet Büttner.

Reden kann er, in der Landespolitik kennt er sich aus. Es liegt nahe, ihn 2019 für den Landtag zu nominieren. Der eine oder andere mag Gedankenspiele in diese Richtung haben, aber Büttner möchte sich daran nicht beteiligen. »Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen«, räumt er ein. »Es ist aber viel zu früh für mich, einen Posten zu wollen.« Deshalb hat er sogar das Angebot abgelehnt, die bescheidene ehrenamtliche Funktion des Vorsitzenden der Basisorganisation in Templin zu übernehmen. Nur zur Wahl in die Landesschiedskommission hat er sich von der Landtagsabgeordneten Margitta Mächtig überreden lassen. Das ist schließlich eine Aufgabe, die Arbeit macht und weder Macht bedeutet, noch Ruhm einbringt.

Büttner möchte zunächst in der Partei ankommen. In der Landesarbeitsgemeinschaft »Schule und Bildung« würde er gern intensiv mitarbeiten. Leider fehlt dem Vater von vier Kindern dafür bislang die Zeit. Dem Vorwurf, er habe einer Karriere wegen die Partei wie das Hemd gewechselt, widerspricht Büttner. Er sei doch bereits Fraktionschef im Landtag gewesen. Höher hinauf gehe es für ihn sowieso nicht mehr. Davon abgesehen: Die LINKE stürzte bei der Landtagswahl 2014 von 27,2 auf 18,6 Prozent ab und sackte in den Umfragen seither sogar noch weiter durch. Die Partei ist gerade ganz und gar nicht in der Lage, lukrative Posten anzubieten. Außerdem verdient Büttner als Polizeibeamter in Berlin mehr Geld als ein einfacher Landtagsabgeordneter in Potsdam - eingerechnet, dass von Abgeordneten erwartet wird, dass sie einen nennenswerten Teil ihrer Diät an ihre Partei spenden. Das ist bei den Liberalen nicht anders als bei den Sozialisten.

Von Arbeitskollegen aus verschiedenen Bundesländern gab es nur wenige positive Reaktionen auf seinen Eintritt in die LINKE, stellt Büttner fest. Allerdings werde unter Polizisten nur im Ausnahmefall über Politik gesprochen, wenn man beispielsweise im Streifenwagen sitze und in einer Pause über Gott und die Welt rede. Büttner achtet streng darauf, im Dienst stets neutral zu bleiben, so wie es vorgeschrieben ist. »Ich würde mir nicht einmal eine nd-Tasse auf meinen Schreibtisch stellen« erklärt der 42-Jährige. Er fährt übrigens gern Streifenwagen, »sehr gern auch mit Blaulicht«, wie er schmunzelnd zugibt. Das sei wohl so eine Art spätpubertäre Freude für ihn, verrät er augenzwinkernd.

Schießen ist dagegen nicht sein Ding. »Unsere schärfste Waffe ist das Wort«, betont er, und hat eine Geschichte präsent. Neulich wählte ein Vater den Notruf, weil er Angst um seine psychisch kranke und total verwirrte Tochter hatte. Büttner traf zuerst vor Ort ein, und die junge Frau schubste ihn aggressiv ein paar Stufen die Treppe hinunter. Doch Büttner behielt die Nerven und redete 45 Minuten lang beruhigend auf die bedauernswerte Frau ein. »Die inzwischen angekommenen Feuerwehrleute trampelten schon mit den Füßen«, erzählt Büttner. »Aber ich habe ihnen gesagt: ›Gebt mir noch fünf Minuten. Dann kommt sie bestimmt freiwillig mit. Wenn wir Gewalt anwenden müssen, dann gibt es auf der kantigen Treppe Verletzungen. Das will ich vermeiden.‹« Am Ende sei er mit dem Rettungswagen in die Klinik mitgefahren, und die Frau habe ihn gebeten, noch bei ihr zu bleiben, bis sie in der psychiatrischen Abteilung in ihrem Zimmer war. »Das habe ich auch gemacht.«

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