Nicht noch mehr Zwang bei der Zwangsverrentung

Regierung will auf geplante Verschärfung für Hartz-IV-Bezieher verzichten

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Die Koalition wollte ältere Arbeitslose noch schneller in Rente schicken können. Nun soll alles beim Alten bleiben, eine sinnvolle Lösung ist die Zwangsverrentung aber nicht.

Berlin. Die Koalition hat Gesetzespläne für mehr vorzeitige Verrentungen von Hartz-IV-Empfängern gekippt. Es werde gesetzlich klargestellt, dass Betroffene nicht dafür bestraft werden, wenn sie dem Jobcenter dafür nötige Unterlagen verweigern, teilte der CDU-Sozialexperte Karl Schiewerling am Donnerstag in Berlin mit. »Daher wird es auch nicht vermehrt zu Renten mit Abschlägen kommen.«

Jährlich werden tausende Hartz-IV-Empfänger aufgefordert, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Abschläge hinnehmen müssen. Kommen sie der Aufforderung nicht nach, können Jobcenter die Anträge dafür stellen. Neu vorgesehen war, dass Hartz-IV-Leistungen leichter ausgesetzt werden können, wenn Langzeitarbeitslose die nötigen Unterlagen zur Verrentung nicht vorlegen. Das hatte Widerspruch bei der Opposition hervorgerufen.

Zudem hätten Union und SPD Reformen vereinbart, so Schiewerling. Menschen, die es besonders schwer haben, sollen künftig länger als bisher auf dem Weg auf den Arbeitsmarkt gefördert werden. So sollen Arbeitslose künftig innerhalb von fünf Jahren drei statt zwei Jahre eine öffentlich geförderte Beschäftigung ausüben können. Betroffene könnten zudem durch eine sozialpädagogische Begleitung unterstützt werden.

Die Volkssolidarität begrüßte die Rücknahme der Verschärfungen als »Zeichen der politischen und sozialen Vernunft«. »Noch sozialer und vernünftiger wäre es aber, die Zwangsverrentung von Langzeitarbeitslosen ersatzlos abzuschaffen«, sagte Verbandspräsident Wolfram Friedersdorff. Er erinnerte daran, dass in Ostdeutschland jeder dritte Bezieher von »Hartz IV«-Leistungen älter als 50 sei. »Die Politik darf sich nicht damit zufrieden geben, dass ältere Langzeitarbeitslose in Altersarmut landen.«

Die Praxis der Zwangsverrentung lasse sich zudem nicht mit der Debatte um längere Arbeitszeiten vereinbaren. »Wenn tatsächlich händeringend Arbeitskräfte gesucht werden, muss man bereit sein, älteren Arbeitslosen eine Chance zu geben statt sie in Zwangsrente zu schicken.«

Die Koalition hatte bereits mehrere angekündigte Verschärfungen bei Hartz IV wieder zurückgenommen. So sollen alleinerziehende Hartz-IV-Bezieher laut dem Bundesarbeitsministerium nun doch nicht schlechtergestellt werden. Bei den Änderungen ging es um Abzüge von Hartz-IV-Leistungen für die Zeiten, in denen sich das Kind beim anderen Elternteil aufhält. Dagegen hatten die Opposition und Sozialverbände protestiert. Die Pläne hätten den Verbänden zufolge dazu geführt, dass Alleinerziehende für jeden Tag, den das Kind beim Partner verbringt, Abzüge gehabt hätten. Zudem hätte das Vorhaben nach Ansicht der Kritiker Zwietracht zwischen den getrennt lebenden Eltern gesät und damit das Kindeswohl gefährdet. Agenturen/nd Kommentar Seite 2

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