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Ärger um geplanten Spähangriff

Nach hitziger Diskussion: Innenausschuss beschließt Sondersitzung zu Videoüberwachung Ende Juni

  • Simon Brost
  • Lesedauer: 3 Min.
Schon vor der Sitzung ließ die SPD-Fraktion durchblicken, dass sie dem Gesetzentwurf des rot-schwarzen Senats zur Videoüberwachung nicht zustimmen wird.

Der Senat will das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) ändern, um der Polizei zu ermöglichen, »kriminalitätsbelastete Orte« mit Videokameras zu überwachen. Zunächst soll ein Modellversuch am Alexanderplatz gestartet werden. Die SPD-Abgeordneten hielten sich während der Sitzung mit Kritik zurück, wohl um öffentlichen Koalitionskrach zu vermeiden. Der Streit zwischen Innensenator Henkel und CDU-Vertretern auf der einen und Oppositionsfraktionen auf der anderen Seite tobte hingegen um so heftiger, so dass die Parlamentarier bei ihrem letzten regulären Zusammentreffen in der laufenden Legislaturperiode über eine Stunde länger tagten als ursprünglich vorgesehen.

Die Befürworter sehen in der Ausweitung der polizeilichen Kompetenzen zur Videoüberwachung ein notwendiges Instrument zur Sicherheit in der Stadt, das dabei helfe, Straftaten zu verhindern, aufzuklären und das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken. Die Opposition kritisiert hingegen schon das Zustandekommen der Senatsvorlage. Von »ganz schlechtem Gesetzeshandwerk« sprach der Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux. Die Opposition ist sich einig, dass der vorliegende Vorschlag der Polizei uferlose Befugnisse in die Hand gebe, deren Wirksamkeit zudem nicht belegt sei. So sieht es auch die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk in ihrer Stellungnahme an den Ausschuss, die der Blog »netzpolitik.org« veröffentlichte. Es sei zu befürchten, dass die angestrebte Regelung zu einer Überwachung großer Bereiche insbesondere der Innenstadt führe, ohne dass es hierfür einzelfallbezogene Anlässe gäbe, schreibt die Juristin. Der CDU-Abgeordneten Robbin Juhnke bestätigte diese Befürchtung indirekt. Er sagte, das Gesetz sei nicht als »Spezialgesetz Alexanderplatz« konzipiert, sondern als »allgemeines Gesetz«, so dass bei einer Erweiterung nicht für jeden Ort ein neues Gesetz notwendig sei.

Schützenhilfe bekam Henkel von einem der beiden Experten, die der Ausschuss zur Anhörung geladen hatte. Der stellvertretende Berliner Landesvorsitzende des »Bundes Deutscher Kriminalbeamter«, Carsten Milius, selbst Kriminalpolizist in der auch für Mitte zuständigen Direktion 3, begrüßte in seiner Stellungnahme die Vorschläge des Senates. Videoüberwachung sei hilfreich bei der Ermittlung unbekannter Täter, insbesondere bei Massendelikten wie Taschendiebstahl. Während Zeugen in der Realität häufig widersprüchliche und ungenaue Täterbeschreibungen abgäben, lieferten Videokameras »objektive Bilder.« Zudem hätten Kameras auf potenzielle Täter eine abschreckende Wirkung. Grundlegende rechtliche Bedenken äußerte hingegen der zweite Sachverständige Clemens Arzt. Er bildet an der Hochschule für Wirtschaft und Recht angehende Polizisten aus. Das angestrebte Gesetz führe das Prinzip einer »Ortshaftung« ein. Unbeteiligte Personen müssten damit rechnen, überwacht und kontrolliert zu werden, nur weil sie bestimmte Orte aufsuchten. Zudem sagte er, der Gesetzentwurf stelle eine »Generalermächtigung« der Polizei zur Überwachung des öffentlichen Raumes dar.

Am 29. Juni wird der Innenausschuss bei einer außerplanmäßigen Sitzung die Beratung der Gesetzesvorlage fortsetzen.

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