Verbände kritisieren Radbegehren

Gesetzesentwurf soll »handwerkliche Schnitzer« enthalten / Senat will mehr Geld für den Fahrradverkehr ausgeben

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegenwind für die Macher des Volksbegehrens Fahrrad: Mehrere Verbände loben die entstandene Diskussion, wollen den Gesetzentwurf so aber nicht unterstützen.

Heinrich Strößenreuther, Mitinitiator und eine der treibenden Kräfte beim Volksentscheid Fahrrad, ist nicht amüsiert. »Es riecht für mich nach einem abgekarteten Spiel, wenn am Morgen ein Verband einen Vorschlag macht und nachmittags die Stadtentwicklungsverwaltung schon zustimmt«, sagt er »nd« und meint das am Dienstag vom Umweltverband BUND verbreitete Eckpunktepapier zur künftigen Radverkehrspolitik.

In dem Papier werden Stärken und Schwächen von den Aktivisten des Radentscheids beschrieben und mögliche Kompromisslinien mit der vom Senat bereits 2013 verabschiedeten Radverkehrsstrategie gesucht. »Das Gute an dem Gesetz ist die Verbindlichkeit«, sagt Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin. Insgesamt sei es jedoch ein »Sammelsurium verschiedener Vorschläge«.

Der Umweltverband bemängelt, dass die im Begehren aufgestellten Forderungen wie 100 Kilometer Radschnellwege, 350 Kilometer Fahrradstraßen, 50 grüne Wellen an Hauptstraßen »nur bedingt geeignete Prioritäten für einen zielorientierten Ausbau des Radverkehrs« setze. Auch befürchtet man »ungewollte Konflikte« mit Fußgängern, öffentlichem Nahverkehr und Naturschutz.

Als »Voraussetzung für eine zielführende Diskussion« werden in dem Papier die Aufstockung der für den Radverkehr vorgesehenen jährlichen Mittel von 15 auf 40 Millionen Euro sowie mindestens 34 zusätzliche Stellen bei Senat und Bezirken ab 2017 genannt. Beide Vorschläge werden von der Stadtentwicklungsverwaltung unterstützt, sagte am selben Tag noch der Pressesprecher der Stadtentwicklungsverwaltung, Martin Pallgen, dem »rbb«.

»Alle waren eingeladen, bei unserem Entwurf mitzumachen, sind aber nicht gekommen«, zeigt sich Strößenreuther enttäuscht. Er hält es für unfair, dass nun Kritik am Gesetz geäußert wird. Auch den Vorwurf, dass nicht verkehrsträgerübergreifend gedacht werde, entbehrt seiner Ansicht nach jeder Grundlage.

Auch der Berliner Fahrgastverband IGEB begrüßt die Initiative für Fahrradverkehr, kann aber aus ihrer Sicht den Gesetzentwurf nicht unterstützen. »Das Kernproblem ist, dass der Fahrradverkehr autonom betrachtet wird«, sagt Verbandssprecher Jens Wieseke. Der Entwurf arbeite teilweise »mit den klassischen Planungselementen der autogerechten Stadt«, heißt es in einer Stellungnahme der IGEB, genannt werden Radschnellwege und die geforderten Grünen Wellen. Mit letzterer würden im engmaschigen städtischen Straßennetz an vielen Stellen Fußgänger, Busse und Straßenbahnen benachteiligt werden müssen, heißt es weiter.

»Der Entwurf enthält aber auch echte handwerkliche Schnitzer«, sagt Wieseke. »Zum Beispiel wurden die Hauptstraßen nicht sauber definiert.« Bekanntlich werden zwei Meter breite Radwege entlang der Hauptstraßen gefordert. Sollte das Gesetz so umgesetzt werden, würde diese Verpflichtung nicht für all jene Straßenzüge gelten, die auch Bundesstraßen sind. An Leipziger oder Potsdamer Straße, wo es dringend gute Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer geben sollte, wäre der Senat nicht verpflichtet, etwas zu ändern. Das sind aber Orte, an denen mit starren Zwängen auch nur mittelgute Lösungen herauskämen, gerade, wenn künftig auch noch Straßenbahnstrecken hinzukommen. Klar ist: Die nötige Umverteilung von Verkehrsflächen wird vor allem Parkplätze kosten. »Das traut sich kaum ein Politiker offen zu sagen«, sagt Carmen Schultze, die Sprecherin des BUND. »Der Senat sollte den Schwung der Volksinitiative nutzen, um den Verkehr umwelt- und menschenfreundlicher zu machen«, fordert Jens Wieseke. »Es muss unzweifelhaft mehr Geld geben«, räumt Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) ein.

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