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Prügel ohne erkennbaren Anlass

In Göttingen gab es zahlreiche Festnahmen, Verletzte und Verfahren nach einer Demonstration gegen Rechts

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 2 Min.

Sechs große Traktoren, geschmückt mit Transparenten gegen Rechts, blockieren am Sonntagabend zwei Kreuzungen im Ostviertel von Göttingen (Niedersachsen). Drumherum stehen oder sitzen einige Dutzend Demonstranten auf der Straße. Sie wollen den Mitgliedern des rechtsextremen «Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen» den Weg zu ihrer sogenannten «Mahnwache» an der Stadthalle versperren - auf dem unmittelbar vor dem Gebäude liegenden Albaniplatz hatten die Nazis 1933 Bücher verbrannt. Mit einem ruppigen Einsatz räumt die Polizei die Blockaden und geleitet den kleinen Autokonvoi der Rechten ans Ziel. Der Kundgebungsort ist durch Gitter und behelmte Beamte dicht gemacht worden. Auf der anderen Seite der Absperrungen lärmen und trillern rund 600 Demonstranten lautstark gegen die Reden des «Freundeskreises» an. Einen Versuch, die Gitter zu übersteigen, schlagen die Beamten mit Stöcken und Pfefferspray zurück.

«Wir wollen keine Nazis in Göttingen», ruft DGB-Regionsgeschäftsführer Lothar Hanisch ins Mikrofon. Bei dem «Freundeskreis», der seit Ende vergangenen Jahres die Region mit «Mahnwachen» und sogenannten «freiheitlichen Bürgertreffs» überzieht, handele es sich um «knallharte Neonazis. »Unsere Aufgabe ist es, Gesicht zu zeigen« , so Hanisch. Der Göttinger Grünen-Bundestagabgeordnete und frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin fordert: »Keinen Fußbreit für diese Bande.«

Plötzlich überspringen einige Beamte der umstrittenen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) das Gitter. Sie werden zunächst zurückgedrängt, erhalten dann Verstärkung und prügeln ohne erkennbaren Anlass auf Demon-stranten ein. Es setzt Faustschläge ins Gesicht und Tritte in die Genitalien. Die Grüne Jugend spricht von »zahlreichen Verletzten«.

Einige Leute werfen Obst auf die Polizisten. Auch fünf Beamte sollen leicht verletzt worden sein, meldet hinterher die Pressestelle der Polizei. Es gibt rund ein Dutzend Fest- und sogenannte Ingewahrsamnahmen, etliche Verfahren wegen Widerstandes, Landfriedensbruchs und Körperverletzung werden eingeleitet. So einen provokativen Einsatz habe er in Göttingen schon lange nicht mehr erlebt, sagt der Ratsherr der Antifaschistischen Linken und Ex-Landtagsabgeordnete Patrick Humke. Die »Freundeskreis«-Redner feixen und hetzen. »Es wird Blut fließen«, kündigt einer an, bevor die Truppe unter Polizeigeleit abzieht.

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