Rad-Aktion soll aufklären über Depressionen

Teams der bundesweiten Mut-Tour suchen Anschluss

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

In diesen Sommerwochen sind erneut Aktivisten der Mut-Tour mit Tandem-Fahrrädern, Kajaks und Packeseln in mehreren Strängen im Bundesgebiet unterwegs. Sie werben bei Passanten in Stadt und Land für eine Entstigmatisierung der »Volkskrankheit« Depression. Am Freitag macht ein Team beispielsweise in Berlin Station und lädt zum Mitfahren ein.

Der erste Mut-Tour-Sommer fand 2012 statt. Am Anfang stand die Idee, Menschen mit und ohne Depressionserfahrungen gemeinsam in Bewegung zu setzen, Aufklärungsarbeit zu leisten und Gemeinschaft zu erleben. Die 52 Mitglieder der vier Kernteams - es sind tatsächlich nicht nur Menschen mit Depressionserfahrung dabei - legen bei den Staffelfahrten insgesamt rund 7300 Kilometer durch die gesamte Republik zurück. Zu ihrer Unterstützung werden insgesamt 1500 Teilnehmer auf den einzelnen Etappen erwartet.

»Leistungsdruckfreier Sport, Struktur, Natur und Gemeinschaft können die Stimmung heben«, erklärt Projektgründer Sebastian Burger. »Wir möchten Betroffenen Mut machen, zu sich zu stehen, und Nicht-Betroffene ermutigen, Erkrankten offener entgegenzutreten.« Es sei dringend geboten, »frei über eine Erkrankung zu reden, die mehr Tote fordert als der Straßenverkehr und häufiger zur vorzeitigen Berentung führt als Rückenleiden.« Die Tour sei auch im Sinne von »vier Millionen Deutschen, von denen es sich immer noch viele nicht erlauben können, dem Chef von ihrer Krankheit zu erzählen«, erläutert der gelernte Fotograf.

Für Peter Joseph Kraus ist es der dritte Mut-Tour-Sommer in Folge. Der wegen Depression frühverrentete Religionslehrer aus Hessen war 2014 dazu gestoßen und ist mit seinem Tourenteam in einem weiten Bogen von Köln via Moseltal, Pfälzer Wald, Schwäbische Alb und Oberbayern bis an die Donau geradelt. Die Gruppe war mit Zelten, Geschirr und Proviant auf eine Übernachtung in der Natur und Selbstversorgung bestens vorbereitet.

Erneut habe er eine große Offenheit und Gastfreundschaft der Zufallsbekanntschaften entlang der Strecke erfahren, berichtet Kraus gegenüber »nd«. Viele Menschen hätten Verständnis gezeigt, weil sie direkt oder über Verwandte und Bekannte mit der »Volkskrankheit« Depression konfrontiert seien, unter der laut WHO fast jeder zehnte Erdenbürger leidet. »Wenn du dich outest, kommen die Leute von sich aus auf das Thema zu sprechen.« So auch Mitglieder eines Jachtklubs an der Mosel, in dessen Nähe die Radler ihre Zelte aufschlugen.

Und auch gestresste Lokalreporter seien bei ihren Recherchebesuchen trotz Zeitdrucks oft länger als geplant bei ihren Gesprächspartnern geblieben, erzählt Kraus. In Pirmasens habe eine berufstätige Witwe die Gruppe spontan zur Übernachtung in ihr Haus eingeladen und sie abends gebeten: »Macht morgen bitte die Tür zu, wenn ihr weiter fahrt.« Im Raum Stuttgart habe eine Familie Garten und Sanitäreinrichtungen zur Verfügung gestellt. Im oberschwäbischen Bad Waldsee habe ein Hausbesitzer den Radlern in der Dämmerung Zuflucht vor Stechmückenschwärmen geboten.

Bei der Tour sei er auf eher verborgene landschaftliche Schönheiten und eindrucksvolle historische Altstadtkerne aufmerksam geworden, so Kraus. Gelegenheit zum ausgiebigen Erfahrungsaustausch mit allen anderen Tourenaktivisten hat Kraus am 3. September bei der bundesweiten Abschlussveranstaltung der Mut-Tour in Bremen.

Infos im Internet: www.mut-tour.de

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