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Die dunkle Seite der Helligkeit

Der Sender N24 blickt in der Serie »Darknet« in die dunklen Seiten des Internets

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Wochen nach dem Münchner Amoklauf hätte die Doku-Serie »Darknet« die dunkle Seite des Internets erklären können. Stattdessen kümmert sich N24 vier Doppelfolgen lang lieber um Phänomene und Freaks. »Dark« klingt ja schon mal schön zwielichtig. Darkrooms sind dubios, Dark- Metaller todessehnsüchtig. Falls also etwas »Darknet« heißt, kann es also kaum Gutes bedeuten; das macht auch Jodie Fosters deutsche Synchronstimme klar, wenn sie die gleichnamige Doku auf N24 einleitet. »Jenseits des World Wide Web herrschen eigene Gesetze«, kriecht ihr Kommentar düster aus dem Off. »Willkommen auf der dunklen Seite!«

Gemeint ist jene Grauzone des Internets, die sich durch komplexe Zugangsbarrieren jeder Kontrolle entzieht. Obwohl sie einst eher dem Wunsch nach digitaler Anonymität als krimineller Energie entsprungen ist, tummeln sich darin aus Sicht von Regisseur Mati Kochavi vor allem finstere Gestalten. Leute wie David S. etwa, der die Waffe für seinen Amoklauf in München im Darknet gekauft hat. Der Achtteiler spielt zwar in den USA; zwei Wochen nach der Tat von David S. aber zeugt er auch hierzulande von gutem Timing.

Nur von einem zeugt er nicht: dem Titel. Es kommen zwar spannende Internetakteure vor: ein Hacker zum Beispiel, der sich zum Auftakt mit US-Behörden anlegt und dafür ein Online-Verbot kassiert. Oder eine Content-Moderatorin, die das Material normaler Suchmaschinen von unerwünschten Treffern reinigt, damit sie beim Googeln von »Melonen« wirklich Südfrüchte zeigen. Dazu Themen von Pornografie über Online-Sucht bis Netzkriminalität. Mit einem hat all dies jedoch oft nur am Rande zu tun - mit dem Dark᠆net. Das ist ein verschwiegener Raum ortloser Kommunikation fernab der sichtbaren Welt mit »www« davor. Man klickt nicht einfach dark᠆net.com an, sondern braucht passende Kontakte, Codes und Kenntnisse. Als Teil des Deep Web treten die Nutzer tief unterm Radar miteinander in Kontakt - privat, verschlüsselt, schwer verfolgbar. Wie es funktioniert, was es kann, wer es nutzt, wem es nützt und wem schadet - all dies hätte man gerade in den Tagen von München zu gern von N24 erfahren. Doch mit Thriller-Dramaturgie, CSI-Ästhetik und dem kommerziellen Zwang zur Soundkanonade widmet sich die Serie vielem, was schief läuft im digitalen Miteinander, von Hasskommentaren bis Überwachung; nur wirklich erklärt wird herzlich wenig. Dafür geht es um Phänomene, Schauwert und - wenn »Jodie Foster« über 1000 Schnitte hinweg murmelt, das World Wide Web kenne »weder Recht noch Ordnung« - auch viel um Küchenpsychologie.

Dass »Darknet« dennoch sehenswert ist, liegt daher nicht am aufklärerischen Ansatz, sondern am beeindruckenden Panorama, das hier entfaltet wird. Anarchistische Polizeihasser, die aus uramerikanischer Selbstermächtigungsarroganz Waffenschmieden für den Privatgebrauch verkaufen, sind hier Szene an Szene mit Objekten polizeilicher Willkür zu sehen, die sich fortan zivilgesellschaftlich engagieren. Und den Job von Content-Moderatoren, bei 1,8 Milliarden hochgeladener Bilder pro Tag jene herauszufiltern, in denen Kindern nicht durch warme Worte, sondern von übergriffigen Händen berührt werden, sieht man danach auch mit anderen Augen.

So was geschieht allerdings vorwiegend in jenen 20 Prozent des Internets, die frei zugänglich sind. Wie es in den vier dunklen Fünfteln zugeht, erklärt uns N24 vielleicht ja ein andermal. Dann passt auch der Titel.

Vier Doppelfolgen ab 5.8., immer freitags, 23.05 Uhr

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