Der leidige Lümmel
Ingolf Bossenz über die Probleme demokratischer Willensbildung nicht nur in der Türkei
»Wenn das Volk die Todesstrafe will, werden die Parteien seinem Willen folgen.« Da lässt er sich nicht lumpen, der türkische Präsident. Wenn Recep Tayyip Erdoğan das Volk hört - in diesem Fall dessen Rufe nach Todesurteilen -, dann hört er auch auf das Volk. Demokratie hat halt ihren Preis und kann schon mal das eine oder andere Leben kosten. Aber sie bleibt eine komplizierte Angelegenheit. Bundespräsident Joachim Gauck hat diese Tatsache erst jüngst auf den Punkt gebracht: »Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem ...«
In der Tat: Man muss mächtig aufpassen, was er da an den Urnen so anrichtet, der »große Lümmel«, wie Heinrich Heine »das Volk« zärtlich titulierte. Während er hierzulande in erklecklicher Zahl Rattenfängern und geistigen Brandstiftern nachläuft, zerlegt er anderswo die mühsam zusammengezimmerte Europäische Union und schickt sich jenseits des Atlantiks gar an, einem der schlimmsten Albträume ins Reich des Realen zu verhelfen. Karl Jaspers meinte: »Die Demokratie setzt die Vernunft im Volk voraus, die sie erst hervorbringen soll.« Ein guter Rat. Nur, was machen wir bis dahin? Mit der wirklich wahren Wahrheit ist es schwierig. Man könnte eine höhere Instanz fragen. Zum Beispiel: »Was würde Jesus dazu sagen?« Aber den Türken wäre das wohl keine Entscheidungshilfe.
Zum Aktionspaket
Linken, unabhängigen Journalismus stärken!
Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.
Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.