Das Beste für Frühchen deponieren

Niedersachsen will die dritte Muttermilchbank im Westen einrichten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Leichter als eine Tüte Zucker ist das Frühstgeborene, nur 800 Gramm wiegt der winzige Junge, der schon in der 26. Schwangerschaftswoche seiner Mutter zur Welt gekommen ist. Elf Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin. Umfangreiche medizinische Versorgung ist angesagt, und ganz wichtig für den Kleinen ist jetzt die Milch seiner Mutter. Deren Brust aber hat noch nicht genug davon gebildet, und so muss das wertvolle »Lebenselixier« rasch von einer Muttermilchbank beschafft werden.

Das könnten in den »alten« Bundesländern mit verhältnismäßig weiten Transportwege verbunden sein, denn dort gibt es erst zwei solcher Einrichtungen: in München und Dortmund. Dass bald auch Niedersachsen eine Muttermilchbank bekommt, dürfte sicher sein. Die rot-grüne Mehrheit im Landtag hat jüngst den Anstoß dazu gegeben, und eine erste Diskussion im Parlament lässt erwarten, dass auch die Opposition aus CDU und FDP das Projekt befürwortet.Vor der endgültigen Abstimmung wird die Sache nun im Fachausschuss erörtert.

Depots mit Milch, gespendet von Frauen, die zu viel davon »produzieren«, hatte es jahrelang vielerorts in Deutschland gegeben. In der DDR war sogar per Gesetz vorgeschrieben worden: Alle Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern mussten eine Muttermilchbank vorweisen, damit frühgeborene und kranke Säuglinge, deren Mütter nicht stillen können, vom ersten Lebenstag an gesund ernährt werden. Rund 60 Frauenmilch-Annahmestellen gab es bis zur Wiedervereinigung im Osten, aktuell stehen dort 13 Milchbanken bereit.

Auf der anderen Seite der Elbe zählten Muttermilchbanken nicht zur staatlichen Fürsorge, waren demzufolge auch nicht vorgeschrieben, und so ging ihre Zahl kontinuierlich zurück. Die letzte Frauenmilch-Sammelstelle in der BRD wurde 1972 geschlossen. Beigetragen zu dieser Entwicklung hat womöglich die Ansicht in Medizinerkreisen, gute künstliche Säuglingsnahrung sei für das Wohl der Kinder ausreichend. Auch die Angst vor dem HIV-Virus, das mit der Muttermilch übertragen werden kann, sorgte für den Schwund der Depots.

Mittlerweile ist sich die Wissenschaft einig: Beste Nahrung für die Kleinsten, besonders für Frühgeborene, ist Muttermilch. Neben Nährstoffen enthält sie Substanzen, welche das kindliche Immunsystem stärken und so das Kind vor schweren Infektionen im Blut, aber auch lokal im Darmtrakt schützt. Das bekräftigen Fachärzte des Münchner Klinikums, wo 2012 die erste westdeutsche Frauenmilch-Spenderbank geschaffen wurde.

Nur gesunde Mütter , so das Klinikum, dürfen dort Milch spenden, und auch nur, wenn sie genug davon haben. Die Frauen werden gründlich untersucht, unter anderem auf Hepatitis und HIV. »Unter höchsten hygienischen Standards« wird die Milch abgepumpt, nach Probenentnahme für mikrobiologische Test sodann schockgefroren und tiefgekühlt gelagert.

So geschieht es seit 2015 auch in Dortmund, an einer Klinik. Niedersachsen will folgen und sich zugleich dafür einsetzen, dass der im Internet florierende private Handel mit Muttermilch staatlich unterbunden wird. Denn, so heißt es seitens der rot-grünen Fraktionen im Landtag: Es sei nicht überprüfbar, ob die Spenderinnen an übertragbaren Krankheiten leiden und ob sie rauchen, Medikamente, Drogen oder Alkohol konsumieren. Hebammen, Ärzte und Fachverbände warnten deshalb vor möglichen gesundheitlichen Folgen privat verkaufter Muttermilch.

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