Uniper: Vergesellschaftung statt Ausverkauf

Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren die aufgeschobenen Klimaziele des staatlichen Gaskonzerns

Besser in vielen guten Händen als in den Fängen eines großen Investors?
Besser in vielen guten Händen als in den Fängen eines großen Investors?

Vor der Hauptversammlung des verstaatlichten Energiekonzerns Uniper am Donnerstag kritisieren die zivilgesellschaftlichen Organisationen Urgewald, Communia und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre die Verschiebung der klimapolitischen Ziele des Unternehmens und dessen geplante Reprivatisierung. Im Geschäftsbericht 2024 hatte Uniper bekannt gegeben, bei den direkten und indirekten Treibhausgasemissionen erst im Jahr 2040 Neutralität zu erreichen; ursprünglich wollte der Konzern bereits 2035 CO2-neutral wirtschaften.

»Statt diesen fossilen Kurs weiterlaufen zu lassen, muss die Bundesregierung endlich Verantwortung übernehmen«, so Moritz Leiner, Energie-Campaigner bei Urgewald. Er verweist auf das Klimaschutzgebot, dem zufolge staatliche Unternehmen verpflichtet sind, Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu ergreifen. »Bis 2035 muss Uniper sein fossiles Gasgeschäft beenden und auf einen 1,5-Grad-kompatiblen Pfad kommen«, fordert Leiner. Einen entsprechenden Gegenantrag hat der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre zur Hauptversammlung eingereicht.

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Uniper zählt zu den größten Gashändlern und Gasspeicherbetreibern in Deutschland. Die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöste Energiekrise traf den Konzern besonders stark. Zur Rettung leistete Deutschland Milliardenhilfen und wurde mit über 99 Prozent Mehrheitseigentümerin – Uniper war faktisch verstaatlicht.

Die Europäische Kommission reagierte mit einer Reihe von Auflagen. So muss der Bund seine Beteiligung bis Ende 2028 auf höchstens 25 Prozent plus eine Aktie reduzieren. Bereits seit Ende 2024 arbeitet Uniper an der Erfüllung einer weiteren Bedingung und leistet Rückzahlungen an den deutschen Staat. Noch im ersten Quartal 2025 gingen weitere 2,6 Milliarden Euro an die Bundesrepublik. Damit treibt das Unternehmen die Voraussetzungen für einen Ausstieg des Bundes voran.

Im September hatte das Bundesfinanzministerium, das die Anteile verwaltet, erklärt, Uniper solle vor allem über Aktienverkäufe auf dem Kapitalmarkt wieder in private Hände gelangen. Anfang des Jahres folgten Berichte über eine Veräußerung auf einen Schlag an den kanadischen Vermögensverwalter Brookfield. Zu angeblichen Interessenten an Unternehmensanteilen zählen auch die staatlich kontrollierte Taqa-Gruppe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie der tschechische Milliardär Daniel Křetínský, dem unter anderem das ostdeutsche Braunkohleunternehmen Leag sowie ein 20-Prozent-Anteil am Stahlgeschäft von Thyssenkrupp gehören.

Justus Henze, Referent bei Communia bezeichnete die Reprivatisierung als »fahrlässig«, da systemrelevante Infrastruktur in die Hand »unverantwortlicher Investoren« falle. »Wir fordern den Bund auf, alle Privatisierungspläne zu stoppen, mit der EU in Verhandlungen über Alternativen zu gehen und Uniper bei der Dekarbonisierung des Unternehmens in öffentlicher Hand zu unterstützen«, so Henze. Statt einer Reprivatisierung fordert Communia eine Vergesellschaftung des Konzerns: Das Unternehmen wäre folglich nicht nur formell in staatlichem Eigentum, sondern würde auch demokratisch kontrolliert und gesteuert werden – so ließe sich die Energiewende im Sinne des Gemeinwohls vorantreiben.

Die Auflagen der EU stellten für den Umbau von Uniper zu einem gemeinwirtschaftlichen Versorger zwar »eine Herausforderung, jedoch keine unüberwindbare Hürde dar«, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Konzeptpapier. Communia sieht dafür zwei Optionen: Erstens könnte für eine Vergesellschaftung Artikel 15 im Grundgesetz herangezogen werden; auf diesen Artikel beruft sich auch die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen bei der Forderung, große Wohnungskonzerne zu vergesellschaften. Zweitens könnte der Bund die zu veräußernden Anteile an gemeinwirtschaftliche Partner verkaufen, statt an gewinnorientierte Investoren. Denkbar seien etwa Beteiligungsunternehmen der DGB-Gewerkschaften und Verbünde von Energiegenossenschaften oder Stadtwerken.

Etwas Zeit hat Communia noch, der Forderung nach einer Vergesellschaftung Gehör zu verschaffen: Das vorzeitige Aus der Ampel hat den Zeitplan, die Reprivatisierung zu regeln, durcheinandergebracht. Und der zukünftige Finanzminister dürfte in seinen ersten Amtswochen andere Prioritäten setzen.

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