Attacken und Attentate

61 Angriffe auf Flüchtlinge und Asylheime im zweiten Quartal 2016

Bei der Erfassung der politisch motivierten Kriminalität werden Übergriffe auf Asylheime und Flüchtlinge sowie auf Hilfsorganisationen inzwischen gesondert erfasst. Ende 2015 wurde diese neue Zählweise bundesweit eingeführt. Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) erkundigte sich nun nach den Verhältnissen in Brandenburg.

Die Antwort von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) auf ihre parlamentarische Anfrage ergibt: Im zweiten Quartal 2016 wurden im Bundesland 61 Übergriffe auf Asylheime und Flüchtlinge verübt. Glücklicherweise gab es nach Kenntnis des Innenministers in der Zeit von April bis Juni immerhin keine Attacken auf ehrenamtliche Helfer. Den aufsehenerregendsten Fall hatte es Mitte September 2015 in Neuhardenberg gegeben. Dort brannten nach einem Anschlag nachts auf einem Privatgrundstück abgestellte Fahrzeuge, die Mitgliedern des hiesigen Willkommenskreises gehörten.

Anschläge auf Asylheime und Attacken auf Flüchtlinge hat es im zweiten Quartal 2016 verteilt über ganz Brandenburg in 35 verschiedenen Orten gegeben. An der traurigen Spitze steht dabei Cottbus mit acht derartigen Straftaten, gefolgt von Frankfurt (Oder) mit sechs Delikten sowie Neuruppin und Eisenhüttenstadt mit je drei Straftaten. Jeweils zwei derartige Delikte gab es in Potsdam, Fürstenwalde, Forst, Elsterwerda, Brandenburg/Havel, Wittstock, Rheinsberg und Guben.

»Straftaten und hier vor allem Gewalttaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte nehmen weiter zu«, bedauert die Landtagsabgeordnete Johlige. Sie hat ältere Angaben ausgewertet und dabei festgestellt, dass es im Jahr 2011 nur drei derartige Delikte gegeben hat, im Jahr 2012 sieben, 2013 dann 15 und 2014 schon 36. Der Höhepunkt war 2015 mit 141 Delikten erreicht, davon allein 64 im dritten Quartal 2015.

Registriert werden sehr viele Körperverletzungen und etlichen Beleidigungen, außerdem Sachbeschädigungen und Attentate. Damit nicht genug. Es gab noch 22 weitere rassistische Straftaten gegen Menschen, die keine Flüchtlinge sind, aber dennoch Opfer von Hasskriminalität geworden sind. Außerdem gibt es eine Dunkelziffer. Längst nicht jeder brutale Fußtritt und schon gar nicht jede Ohrfeige wird angezeigt, geschweige denn jede Beleidigung oder Bedrohung. So meldete der Verein Opferperspektive gerade, ihm sei von Flüchtlingen einer Notunterkunft in Vetschau (Oberspreewald-Lausitz) erzählt worden, dass es dort seit April mindestens vier rechtsmotivierte Angriffe gegeben habe und außerdem häufig rassistische Beleidigungen und Anfeindungen im Ort. »Von den vier Angriffen, die uns berichtet wurden, ist ein Fall polizeilich angezeigt«, heißt es in einem Brief des Vereins an Landrat Siegurd Heinze (für CDU). »Wir gehen von einer höheren Dunkelziffer aus, da wir vor Ort nur mit einem Teil der Flüchtlinge sprechen konnten.«

Die Abgeordnete Johlige resümiert: »Vor allem die anhaltend hohe Zahl der Gewaltstraftaten ist besorgniserregend. Deutlich wird, dass nach wie vor Alltagsrassismus und anhaltende Hetze von Pegida, AfD und Co. die Hemmschwellen sinken lassen. Menschen fühlen sich ermuntert, ihrem Hass freien Lauf zu lassen.« Johlige meint: »Wir alle sind gefordert, dem Einhalt zu gebieten und dem Hass und der Hetze entgegen zu treten.« Es gehe darum, so die Landtagsabgeordnete, »wie wir gemeinsam leben wollen und jede und jeder ist gefordert, mit dafür zu sorgen, dass Beleidigungen und Bedrohungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen - egal gegen wen sie sich richten - keine Rechtfertigung erfahren.«

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