Das Problem mit den Abgaswerten war seit Jahren bekannt

Untersuchungsausschuss des Bundestags zur VW-Affäre begann mit einer Expertenbefragung - was wusste die Regierung?

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Erneut haben Enthüllungen der Deutschen Umwelthilfe die Brisanz des Untersuchungsausschusses zur Abgasaffäre deutlich gemacht. Eigene Tests auf der Straße hätten überhöhte Stickoxidemissionen bei 33 von 36 untersuchten Dieselautos ergeben, teilte der Verein am Mittwoch mit. So überschreite etwa der Ford Mondeo 2.0 Duratorq TDCi den Grenzwert um das 9,2-Fache. Der Konzern erwiderte, man verwende bei der Abgasreinigung keine illegalen Abschalteinrichtungen und erfülle die »derzeit gültigen/vorgeschriebenen Abgasrichtlinien«.

Grund genug für den Untersuchungsausschuss des Bundestages, am Donnerstag in seiner ersten Arbeitssitzung die umstrittenen Messverfahren ins Visier zu nehmen. Mehrere Sachverständige informierten über Abgastests im Labor und auf der Straße. Weiteres Thema waren die Folgen von Stickoxidemissionen für Gesundheit und Umwelt.

Volkswagen hatte eine verbotene Software eingesetzt, was vor einem jahr in den USA herauskam und zum Dieselskandal führte. Auch bei anderen Herstellern wurden seitdem auffällige Abgaswerte entdeckt. Der von der Opposition beantragte Ausschuss soll klären, was die Bundesregierung seit 2007 in Bezug auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr.

Der Ausschuss wird auch die Rollen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel unter die Lupe nehmen. Das Kanzleramt beschäftige sich schon seit 2010 mit dem Thema Stickoxid, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Wann Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geladen werde, sei noch offen - wahrscheinlich im kommenden Frühjahr. Unklar bleibe noch, inwieweit Vertreter der Industrie befragt werden, etwa Ex-VW-Chef Martin Winterkorn.

Der Ausschussvorsitzende Herbert Behrens (LINKE) hatte bemängelt, dass die Mitglieder viele angeforderte Akten nur geschwärzt oder mit Geheimeinstufung erhalten hätten. Nach seinen Worten geht es im Kern darum, »den Versäumnissen der Politik und dem Einfluss der Automobilindustrie auf politische Entscheidungen nachzugehen«. »Am Ende gilt es, die Konsequenzen zu ziehen, damit dem Betrug zu Lasten der Gesundheit der Menschen ein wirksamer Riegel vorgeschoben wird«, so Behrens. Er sieht »erste Hinweise« darauf, dass sich Verkehrsminister Dobrindt »vorschnell auf Aussagen der Automobilindustrie verlassen« habe, wie er im »Weser-Kurier« sagte. »Für mich ist die entscheidende Frage, ob es eine bewusste Unterdrückung von Informationen in den Ministerien gab«, betonte der Abgeordnete aus Niedersachsen.

Deutlich höhere Abgaswerte auf der Straße als in amtlichen Labortests sind nach den Expertenangaben seit Jahren bekannt. Seit 2006/2007 sei klar gewesen, dass der geltende EU-Testzyklus für Schadstoff- und CO2-Messungen bei der Zulassung neuer Fahrzeugtypen ungenügend sei, machte Stefan Hausberger von der TU Graz deutlich. Diese auf Prüfständen simulierten Fahrten entsprächen bei weitem nicht einem wirklichen Fahren auf der Straße, wo Motoren stärker belastet werden.

Die Bewertung der Aussagen fiel unterschiedlich aus: Grünen-Politiker Krischer sprach von »organisiertem Staatsversagen«. Durch Ignorieren der Probleme und zu wenige Ressourcen für Verbesserungen der Tests sei der Skandal erst möglich geworden. Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) betonte hingegen, es habe keinerlei Hinweise auf vorsätzliche Manipulationen gegeben. nd/Agenturen

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