Stierhatz ohne Lanzen

Spanisches Dorf darf Bullen nicht mehr mit Waffen quälen

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Tordesillas. Tierschützern war die blutige Stierhatz von Tordesillas schon immer unerträglich. «Toro de la Vega» lautet der Name des umstrittenen Festivals, bei dem alljährlich seit dem Mittelalter zu Ehren der Schutzpatronin ein wilder Bulle von einer grölenden Menge zu Fuß und zu Pferde verfolgt und mit spitzen Lanzen gequält wurde - so lange, bis er elend verendete. An derartigen Spektakeln scheiden sich in Spanien die Geister: Von «Tradition» und «spanischem Kulturgut» sprechen die Anhänger, von «Barbarei» und einer «nationalen Schande» die Gegner. Letztere hatten sich nach massiven Protesten und Petitionen schließlich Gehör verschafft.

Im Mai hatte das Parlament der Region Kastilien-León das Töten des Stieres durch Lanzen verboten, die 1534 erstmals abgehaltene Fiesta sei nicht mehr zeitgemäß, hieß es zur Begründung. Die Hatz an sich darf aber weitergehen - nur ist sie jetzt ein «Encierro», also ein «Stierlauf».

Am Dienstag war es also soweit: Der 670-Kilo-Bulle «Pelado» wurde losgelassen und bis zu einer Flussaue («Vega») getrieben. Bis zuletzt war sein Schicksal ungewiss, viele spanische Medien fragten: Werden sich die Bürger an das Verbot halten oder doch wieder zustechen? Letztlich folgten sie dem Gesetz, wenn auch widerwillig. Denn manche Bewohner der 9000-Seelen-Gemeinde und der umliegenden Dörfer wollten sich das Gemetzel partout nicht nehmen lassen. «El País» veröffentlichte denn auch ein Video, auf dem die Festnahme eines mit einer Lanze bewaffneten Mannes zu sehen war.

Auch der Bürgermeister ist ein Verfechter des Blutbads: «Dies ist das schwierigste Jahr unserer jüngeren Geschichte. Sie haben uns das Genick gebrochen», klagte er. Das spanische Fernsehen zeigte Häuser in Tordesillas mit Bannern an den Balkonen: «Politiker, nehmt uns nicht unsere Traditionen!»

Seit den frühen Morgenstunden lieferten sich Stierschützer und Stierhetzer wie bereits in den vergangenen Jahren wütende Wortgefechte, viele Polizisten waren im Einsatz, um die Lage unter Kontrolle zu halten. Den Tierfreunden reicht das Verbot der Lanzen bei weitem nicht aus, sie fordern das gänzliche Ende solcher Festivals. So mahnte die Organisation SOS Galgos: «Fakt ist, der Stier wird, verfolgt vom Mob, sehr unter Stress leiden. Wir werden weiter kämpfen, solange bis keine Stiere mehr in Tordesillas, dem restlichen Spanien und in den anderen Stierkampfländern unter dem Deckmantel von Kunst, Kultur und Tradition misshandelt werden!»

Die Tierschutzstiftung FAADA rechnet vor, dass auf der Iberischen Halbinsel noch immer etwa 16 000 «Fiestas del sangre» (Blut-Festivals«) pro Jahr abgehalten werden, bei denen mindestens 60 000 Tiere gequält oder getötet werden - die meisten davon Stiere. dpa/nd

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