Lindenrettung ist noch nicht amtlich

Im schleswig-holsteinischen Lübeck wehrt sich ein Aktionsbündnis gegen drohende Abholzungen an der Untertrave

  • Dieter Hanisch, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Das parteiübergreifende Aktionsbündnis »Lübecks Linden leben lassen« hat in knapp vier Wochen nach eigener Zählung im Rahmen eines Bürgerbegehrens 10544 Unterstützungsunterschriften gesammelt. 7025 Unterschriften sind nötig, um einen stadtweiten Bürgerentscheid pro oder kontra Linden anzustoßen. Der Streit dreht sich um das Fällen der bestehenden Baumreihe entlang der Untertrave, um dort unter Rückbau des auch künftig noch vorbeilaufenden Autoverkehrs eine barrierefreie Promenade zu errichten. Dafür hat die haushaltstechnisch klamme Stadt Lübeck neben einem finanziellen Eigenanteil Landes- und Bundesmittel von rund neun Millionen Euro eingeworben. Rollen nun nicht rechtzeitig bis zum Jahresende die Bagger, verfällt nach Angaben von Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) die erste Tranche an Fördergeldern in Höhe von 750 000 Euro. »Die Bagger können ja ruhig rollen, wenn die 50 Jahre alten und gesunden Linden stehen bleiben«, sagt Katja Mentz, Sprecherin vom Aktionsbündnis.

Laut Baumschutzverordnung besitzen die 48 Bäume bis zum 1. Oktober eine Bestandsgarantie. Ob bis dahin die Unterschriften durch das die Kommunalaufsicht führende Innenministerium geprüft und das Bürgerbegehren als zulässig und erfolgreich deklariert wird, ist allerdings unklar. Der rechtliche Zeitrahmen dafür lässt eine Ausschöpfung von bis zu sechs Wochen zu. Das Aktionsbündnis forderte von Saxe deswegen ein Versprechen, dass keine Linde gefällt wird und damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, bis die Prüfung beendet ist. Dieser blieb aber unverbindlich und wollte nur zusichern, dass er sich an Recht und Gesetz halten werde. Sobald das Bürgerbegehren als rechtmäßig anerkannt wird, gilt jedenfalls eine Veränderungssperre, also der Baumschutz bis zu einem etwaigen Bürgerentscheid. Die aus abtrünnigen Grünen und LINKEN neu formierte GAL-Fraktion will das weitere Fortgehen in der Bürgerschaftssitzung am 29. September erörtern.

Anfangs signalisierte Saxe, das millionenschwere Projekt hätte sich mit einem späteren Baubeginn wegen des Bürgerentscheids erledigt. Damit wäre auch die Lindenrettung vollzogen und das Aktionsbündnis erfolgreich. Jetzt gibt es aber andere Töne aus Lübecks Rathaus. Ein kämpferischer Bürgermeister Saxe sieht das Stadtentwicklungsprojekt auf einem guten Weg. Er möchte mit einer Bürgerschaftssondersitzung am 2. November den Bürgerentscheid auf den 18. Dezember festlegen. Das Aktionsbündnis stellt er in die Ecke von Fortschrittsverhinderern, weil Lübeck auf die Fördergelder angewiesen sei. Im Gegensatz zum Bündnis sagt Saxe, das Projekt könne nur mit der Lindenbeseitigung realisiert werden.

Das Bündnis widerspricht, dass eine attraktive Umgestaltung an der Untertrave auch mit Linden und überhaupt für viel weniger Geld zu haben sei. »Man kann das Bündnis nicht dafür verantwortlich machen, wenn die Stadt bei Einreichung ihrer Förderanträge keine Flexibilität zeige und nur auf einen alternativlosen Plan A gesetzt hat«, weist Katja Mentz Vorwürfe in Richtung ihrer Initiative zurück. Diese wirft der Stadt selbst unlautere Machenschaften vor. Ein beauftragter Baumgutachter hatte die Linden als krank und nicht widerstandsfähig deklariert. Lutz Fähser, bis 2010 Leiter des Lübecker Stadtwaldes und angesehener Baumexperte, wurde vom Bündnis um eine Bewertung der Linden gebeten. Er kommt zu einem anderen Urteil als der städtische Gutachter. Fähser: »Die Linden sind gesund und könnten 200 Jahre alt werden.«

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