Unter anderem auch Pornoquatsch

Der Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic« bestreitet seine erste Solo-Lesung

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Mann wurde eine Zeit lang ständig von Radio- und Fernsehsendern eingeladen und bekam von den zahlreichen dort tätigen Journalistendarstellerinnen und -darstellern, die ein Mikrophon in der Hand hielten, fortwährend dieselbe brummdumme Frage gestellt: »Was darf Satire?«

Der Terroranschlag auf die Redaktion des französischen Satireblatts »Charlie Hebdo« hatte seinerzeit gerade stattgefunden und man war in Deutschland, in Fragen des Humors bekanntermaßen seit je ein Entwicklungsland, händeringend auf der Suche nach Leuten, die einigermaßen textsicher und kenntnisreich über Humor, Witz, Ironie und Satire parlieren und all die dazwischenliegenden Unterschiede erklären konnten.

Und so kam es schließlich, dass Tim Wolff, Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«, als »Satire-Experte« durch die Redaktionen gereicht wurde, wo er dann einem größtenteils vollständig ahnungslosen Publikum geduldig erklären durfte, was die Satire kann, darf und soll und warum der Witz der Sache der Aufklärung dient.

In der von ihm geleiteten Zeitschrift schrieb er damals: »Fanatiker, speziell religiöse, verachten Komik. Sie vertreten eine todernste, einzige ewige Wahrheit, und der Witz - egal wie klug oder lustig er im Einzelfalle sein mag - bedroht diese Wahrheit. Religion (und so manch andere Weltanschauung) ist Wahnsinn im Kleide der Rationalität, Satire und Komik Rationalität im Kleide des Wahnsinns. Das eine muss das andere missverstehen. Deshalb werden Vertreter des heiligen Ernstes der Komik stets mit Zorn begegnen. Und es ist ihr gutes Recht. Solange sie dies mit denselben Waffen wie Satiriker tun: mit Wort und Bild. Und nicht mit Maschinenpistolen.«

Seit den Anschlägen auf die »Charlie Hebdo«-Redaktion stand Wolff bei Lesungen unter Polizeischutz. Heute Abend wird er in Falkensee bei Berlin seinen ersten Soloauftritt vor Publikum absolvieren. Seine Zeit unter Polizeischutz, sagt Wolff, habe »einige heitere Anekdoten« ergeben. »Darüber und über die Folgen der Anschläge geht es in der ersten Hälfte der Lesung, unter anderem wird es eine Analyse der Videos salafistischer Prediger geben.« Darüberhinaus werden wohl viele »Titanic«-Texte aus den letzten 15 Jahren zum Vortrag kommen. »Unter anderem auch Pornoquatsch«, sagt Wolff.

Es dürfte also für jeden was dabei sein, der nicht gerade bekennender Islamist oder christlicher Fundamentalist ist.

»Das Beste kommt zum Schluss. Der letzte ›Titanic‹-Chefredakteur liest live.« 8.10., 19 Uhr, Hotel & Restaurant Kronprinz, Falkensee

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