Ein V-Mann ist ein Spitzel
Andreas Fritsche über den schlechten Ruf der Geheimdienste
Warum hat die Öffentlichkeit eine so schlechte Meinung von V-Leuten des Verfassungsschutzes? Weil Kriminalfilme den moralisch anständigen verdeckten Ermittlers als Alternative zum kriminellen V-Mann präsentieren? Weil die Ostdeutschen mit den inoffiziellen Mitarbeitern des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit schlechte Erfahrungen gemacht haben? Weil zu viele Bürger denken, dass ein V-Mann des bundesrepublikanischen Verfassungsschutzes auch nichts anderes ist als ein gewöhnlicher Spitzel für wen auch immer?
Mag sein, dass die schlechte Meinung daher rührt. Mag sein, dass der Präsident der Hochschule der Deutschen Polizei mit solchen Einschätzungen auf der richtigen Fährte ist.
Plausibel ist aber genauso die Vorstellung, dass die Öffentlichkeit sehr wohl ahnt und sogar ziemlich gut Bescheid weiß darüber, was für ein Typ Mensch das ist, den der Verfassungsschutz anheuert, um seine Nase in die rechte Szene zu stecken. Es sind Neonazis, die als V-Leute rekrutiert werden, zumeist unverbesserliche Wirrköpfe und auch Gewalttäter, die in der Regel von ihren faschistischen Ansichten nicht ablassen, bloß weil der Verfassungsschutz sie bezahlt und durch die Gegend chauffiert. Diese V-Leute bedienen sich der erhaltenen finanziellen Mittel, um weiter rassistische Propaganda zu machen sowie Ausländer und Linke zu bedrohen.
So entsteht wahrscheinlich, von den Geheimdiensten selbst verschuldet, der von Hochschulpräsident Hans-Jürgen Lange angesprochene Mythos, Verfassungsschützer würden mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) sympathisieren.
Dass die Justiz Akten schreddert, liefert dazu den Stoff für Verschwörungstheorien. Es ist doch nicht so, dass eventuell herbeigeschaffte Kopien die Originale komplett ersetzen könnten. Bloße Kopien sind vor Gericht nicht zu gebrauchen, und sie bringen der späteren Geschichtsschreibung nicht den vollen Erkenntnisgewinn, wenn bestimmte Stellen geschwärzt sind. So leicht abschaffen lassen sich Geheimdienste tatsächlich nicht. So einfach zu rechtfertigen sind sie aber auch nicht.
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