Erasmus von Rotterdam

Kalenderblatt

  • Martin Stolzenau
  • Lesedauer: 2 Min.

Er hieß eigentlich Gerard Gerards, stammte aus Rotterdam und wirkte hauptsächlich in Deutschland, England, Italien und der Schweiz . Er war die wohl vielseitigste Geistesgröße seiner Zeit und »Haupt des europäischen Humanismus«. Trotz seiner Kritik am Papsttum und seiner Verfolgung durch den Klerus blieb er bis an sein Lebensende dem katholischen Glauben treu. Mehr noch: Er distanzierte sich von Martin Luther, der ihn zunächst bewunderte und dann einen »Feigling« nannte. Wahr ist, dass Erasmus keine Kämpfernatur war und ein beschauliches Leben als Gelehrter vorzog.

Der in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober 1466 geborene uneheliche Sohn eines Priesters und einer Arzttochter kam nach dem frühen Tod seiner Eltern in die Obhut von Vormündern, die ihn im Alter von neun Jahren zur Ausbildung in die klösterlichen Bruderhäuser von Deventer und s’Hertogenbosch gaben. Für 1487 ist der Eintritt ins Augustinerkloster Steyn bei Gouda belegt, wo er 1492 zum Priester geweiht wurde. Das Klosterleben prägte ihn. Einerseits erlangte er dort sein großes Wissen, andererseits wuchs sein Hass auf die einengende Kirchenzucht. Erasmus wollte eine Religion im humanistischen Sinne, »mit einem Grundvertrauen in den menschlichen Verstand mit seiner Fähigkeit, Gott zu erkennen«. Dazu gesellte sich seine Ablehnung der Scholastik; einzig Augustinus ließ er gelten. Von ihm übernahm er den Grundsatz, dass die Vernunft der »Diener des Glaubens sein« müsse.

Erasmus von Rotterdam war als Sekretär des Bischofs von Cambrai tätig, studierte einige Jahre in Paris und knüpfte bei einem ersten längeren Aufenthalt in England engen Kontakt zum humanistischen Staatsmann Thomas Morus, den König Heinrich VIII. hinrichten ließ. Sodann weilte Erasmus abwechselnd in Orleans, Köln, Löwen, Antwerpen, Paris, Bologna, Venedig, Padua, Rom und Neapel. In Turin erwarb er 1506 die theologische Doktorwürde, arbeitete zeitweilig als Lehrer für Griechisch in Cambridge und wurde 1517 in Brüssel Berater des Kaisers Karls V. Damit waren seine unruhevollen Wanderjahre beileibe nicht beendet. Erasmus verstarb am 12. Juli 1536 in Basel. Er hinterließ ein großes Werk als Übersetzer und Herausgeber sowie Autor eigener Bücher. Seine Erstausgabe des »Neuen Testaments« von 1516 wurde zur Grundlage für Luthers Bibelübersetzung. Seine »Gesammelten Sinnsprüche« gelten als Vorlage für nachfolgende Sprichwörtersammlungen. In seiner Satire »Lob der Torheit« (mit Handzeichnungen von Hans Holbein) forderte er mehr Bildung für das Volk als »Mittel zur Besserung aller sozialen Übel«. Seine »Klage des Friedens« gab der Friedenssehnsucht der einfachen Menschen eine Stimme und verurteilte das kriegerische Treiben der Fürsten. Damit ist er noch heute aktuell.

Martin Stolzenau

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